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Lissaboner Allerlei

OScAR

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Dies ist eine Vorabversion und noch nicht komplett und noch nicht verfeinert. Will sie aber trotzdem in diesem kleinen Kreise einmal zur Schau stellen...schreibt man jetzt "Lissaboner" oder "Lissabonner"?

Lissaboner Allerlei
22.05.09

Diese Suppe müssen sie schon selbst auslöffeln. Und das ist wahrhaftig kein Honigschlecken mehrmals am Tag. Wirklich nicht. Aber erst einmal zu den Zutaten...

Zu den Allerlei-Zutaten zählen vorwiegend portugiesische Autofahrer und portugiesische Fußgänger. Je nach Geschmack gebe man auch eine Prise Touristen hinzu.

Portugiesische Fußgänger sind von ihren angestammten Wegen Vertriebene, die, sobald sie fahrende Autos erspähen, kreuz und quer und jederzeit selbst über sechsspurige städtische Rennstrecken gleich Torreros sich ständig umschauend tanzen. Hauptsächlich an dafür vorgesehenen ampelbewehrten Übergängen. Und immer bei Rot. Mit Kindern an der Hand. Das scheint ein beliebter Zeitvertreib besonders von den älteren Semestern und von Gehbehinderten zu sein. Vor einem Shopping Center hat die Stadtverwaltung gar einen besonderen Service eingerichtet. Dort sind die Fußgängerampeln mit Count-Down Anzeigen ausgerüstet. Sobald die Fußgängerampel auf Grün schaltet, signalisiert man, in wieviel Sekunden auf Rot geschaltet und damit das kollektive Rennen über zehn vielbefahrene Fahrstreifen wieder aufgenommen werden kann. Aber um ehrlich zu sein, es sind tatsächlich keine zehn Fahrstreifen für den fliessenden Verkehr, denn auf beiden Seiten sind mindestens die jeweils ersten Streifen kontinuierlich zugeparkt.

In jedem Fall hat man ein Arrangement getroffen zwischen Fußgängern und Autofahrern: Die einen verdrängen die anderen und beparken und blockieren Wege und Ûbergänge wo immer möglich, die anderen behindern diese beim Fahren. Todesmutig.

Autofahrer sind so sehr mit gleichzeitigem Rauchen, Telefonieren und Lenken überfordert, daß sie nicht auch noch den Blinker betätigen können. Deshalb wird dieser zu Beginn einer Fahrt sicherheitshalber erst einmal gesetzt. Am liebsten nach rechts. Auf Dauerbetrieb. Schließlich hat man die feste Absicht, irgendwann tatsächlich nach rechts oder auch nach links abzubiegen. Oder in die andere Richtung. Ist kein Blinker gesetzt, dann wird der Fahrer überhaupt nicht blinken. Weder beim Abbiegen, Einbiegen noch sonst wo. Eine spezielle Einrichtung hingegen ist die Parkblinkanlage, bei uns eher bekannt als Warnblinkanlage. Immer dann, wenn ein Auto verkehrshemmend geparkt wird, schaltet sich diese automatisch ein. Die Hupe dagegen wird nur dann wirklich lautstark eingesetzt, wenn Gefahr im Verzuge zu sein scheint. Um beispielsweise dem Fahrer, der in dritter Reihe parkt, zurückzurufen, damit er sein parkblinkendes Auto auch einmal woanders positioniert und ein anderer Eingeparkter per Hupe so mit ihm Kontakt aufnehmen kann. Beliebt sind solche Kontaktaufnahmen vor den Geschäften, vor Post und Zentralbahnhof, vor Krankenhaus und Kirche.

Autofahrerinnen dagegen handhaben zusätzlich zu Zigarette, Handy und Lenkrad auch noch den Lippenstift. Und sie sind immer vornübergebeugt, damit sie sich im Innenspiegel begutachten können. Mit großer Sonnenbrille. Portugiesische Autofahrerinnen haben trotz allem nicht das besondere Gen, mit dem sie mehrere Dinge gleichzeitig tun können, denn neben Rauchen, Telefonieren, Lenken und Schminken können sie nicht mehr fahren. Sie rollen ziemlich schnell aus und verweilen genau dort, wo ihr Auto gerade zum Stillstand gekommen ist. Meistens mitten auf Kreuzungen.

Autofahrer parken überall. Wo es erlaubt ist sowieso, aber auch dort, wo es nicht erlaubt ist. Besonders gerne wird geparkt, wo es den anderen Autofahrer be- oder sogar das Weiterfahren verhindert. Die Busspuren sind ideale Parkstreifen, dann muß der Bus auf die normale Spuren ausweichen. Bushaltebuchten dürfen nicht frei gehalten sondern müssen zugeparkt werden, dann muß der Bus mitten auf der Straße stehen bleiben. Zebrastreifen sind ideale Kurzparkzonen. Der Fußgänger wieselt ja ohnehin zwischen den Autos durch. Und weil kaum noch Fußgänger auf Fußwegen anzutreffen sind, nutzt man die Gunst der Stunde und parkt auf den Fußwegen. In zweiter Line parken ist selbstverständlich. Mit eingeschalteter Parkblinkanlage. In dritter Linie parken ist dagegen nicht so häufig anzutreffen, es sei denn, man lenkt einen Hummer, Q7 oder Cayenne. Im Kreisverkehr zu parken ist oberste Autofahrerpflicht, weil dadurch weniger Verkehr im Kreisel fließt und das bißchen Verkehr aus dem Kreisel nicht abfahren kann, weil die Ausfahrten ebenfalls zu Parkzonen umfunktioniert worden sind.

Normalerweise würde das alles zur Verkehrsberuhigung beitragen, wenn dann nicht gleich diese Huperei einsetzen würde.

Richtige Kreisel, nicht die von der EU gesponsorten, zählen gleich mehrere Spuren, wobei die Fahrspurenmarkierungen bis zur Unkenntlichkeit verblichen sind. Also fährt man erst einmal in den Kreisel hinein und bleibt dann stehen, weil man sich erst einmal auf die Sortier- und Reihenfolge verständigen muß. Das Abbiegen von der innersten Kreiselspur über sämtliche anderen Spuren hinweg in eine Kreiselausfahrt ist besonders beliebt und wird von allen Umstehenden mit einem vielstimmigen Hupkonzert belohnt. Der Kreisverkehr ist aber auch eine beliebte und ideale Kontrollfalle der Polizei. Ist man erst einmal in den Kreisel gefahren, gibt es kein Ausweichen oder Flüchten.

An Ampeln wird die Farbe Rot als Hinweis dafür betrachtet, daß der Querverkehr vielleicht gerade Grün sieht. Die Farbe Gelb fehlt beim Umschalten von Rot auf Grün, was aber durch ein sofort einsetzendes Hupen vom letzten Fahrer in der Schlange ausgeglichen wird. Der Träumer an der Spitze ist geweckt und kann sodann anrollen. Nach ihm würden es vielleicht noch zwei weitere Fahrzeuge bei Gelb schaffen, aber, wie gesagt, ein gerade einsetzendes Rot ist kein Anhaltegrund. Der Träumer vom Querverkehr rollt doch auch später an.

Verkehrszeichen sind bunt, klein und eigentlich überflüssig. Sie stehen oder lehnen vornübergebeugt überall dort, wo sie nicht erkannt werden sollen oder wollen. Ob sie nun vorhanden sind oder auch nicht, ignoriert werden sie von allen Autofahrern. Also könnte man sie doch gleich in die ehemalige Kolonie Angola verschiffen. Und weil auch die geschwindigkeitsbegrenzenden Verkehrszeichen ein eher trauriges Dasein fristen, werden diese auf unfaire Weise durch kleine Gemeinheiten auf der Straße aufgeheitert. Schwarz-gelbe Schweller reduzieren unangekündigt den flüssigen Verkehr durch zerstörungsähnliche Schläge auf das Fahrgestell. Diesen Schlägen entgehen viele jüngere Autofahrer, indem sie die Geschwindigkeit erhöhen und über diese Schweller geradezu hinwegfliegen. Angekündigt werden stattdessen festinstallierte Radarfallen auf großen elektronischen Warntafeln. Wer diese Warnung übersieht und weiterbrettert, wird von neumodischen Radarsäulen gnadenlos auf jeder Spur und im dicksten Verkehr registriert und nach ca. einem Kalenderjahr zur Kasse gebeten. Ein in Schieflage abgestellter alter BMW an einer Bushaltestelle jedoch ist nichts anderes als eine mobile Radarfalle. Ein paar Hundert Meter weiter akzeptiert die Polizei jede Kreditkarte.

Die Polizei im Bereich Lissabon nimmt man als Ausländer nicht ganz so ernst, wenn man deren ausgeleierten Fahrzeuge der Marke Skoda betrachtet. Das Blaulicht ist meist im Dauerbetrieb, denn ein Ausschalten lohnt sich nicht, wenn diese Ordnungshüter unterwegs sind. Und die Zigarettenpause zieht sich ja nicht so sehr in die Länge. Jedenfalls scheinen sie nie auf Streife zu sein, denn es interessiert die Herren überhaupt nicht, wenn sie selbst blockierte Kreisel, zugeparkte Parkhauseinfahrten, in zweiter oder dritter Reihe geparkte Autos oder verstopfte Busspuren umfahren müssen.

Dagegen paradiert täglich hoch zu edlen Lusitano-Schimmeln die stolze Schwadron der Berittenen Polizei wie weiland Don Quichotte auf der Hauptschlagader, die dafür extra gesperrten wird.

Vor kurzem muß es bei AKI wohl eine Sonderaktion gegeben haben: Plötzlich und aus heiterem Himmel hat sich die Polizei mit einem guten Dutzend Parkkrallen versorgt und ans Werk gemacht und einige Autos unfair am Weiterfahren gehindert. Die wollten doch gar nicht weiterfahren, sondern die wollten wie immer dort nur parken. Oder hatten die nur die Kfz-Steuer nicht bezahlt? Also krallte man sie dort fest, wo man sie erwischt hatte. Verkehrsbehindernd.

OScAR
 
Wow - Oscar, das ist ein schöner Verkehrsbericht!!! Ja so kenne ich es auch. Was habe ich den Kreisel vor dem Flughafen früher gehaßt, nicht eine einzige Markierung. Das hat sich glaube ich geändert. Aber sonst ist es anscheinend eher noch schlimmer geworden.

Du hast noch einen sehr beliebten Haltepunkt vergesssen - die Multibancos!

Ich freue mich schon auf weitere Berichte aus dem Lissabonner Allerlei ...

Liebe Grüße,
Annegret

( )
 
Ach Oscar, vor vierzig Jahren kam dann noch dazu, dass man über die "rechts vor links" Straßen hinwegbretterte und ein lautes Hupkonzert dabei veranstaltete, damit es dem bevorrechtigtem Verkehr ja nicht einfiele, seine Vorfahrt auch in Anspruch zu nehmen.
Denn Ampeln waren damals noch rar gesät! ;D
 
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