1983 habe ich das erste mal in der Pension Sevilha am Praça da Alegria übernachtet.
Ein paar Arbeitskollegen der Lissaboner Müllabfuhr wohnten dort mehr oder weniger auf Dauer oder nach Bedarf.
Sie hatten mich eines Nachts mitgenommen, weil ich zu betrunken war, in meine eigentliche Pensão Praça da Figueira zurück zu kehren. Am anderen Tag bin ich komplett nach dahin gezogen.
Ja,- es war eine Absteige, Stundenhotel, morbide und abgeranzt aber es wurden jeden Tag die Zimmer gemacht, das Klo und die Duschen geputzt und die seit Jahrzehnten gestopften Handtücher gewechselt. Man konnte sich dort wohl fühlen und hatte aus den Fenstern der Zimmer im Dachgeschoß eine tolle Aussicht.
Und billig war es. 1996 nur 2800 Escudos und im Jahre 2004 auch noch günstige 17,00 €. Langzeitgäste wie wir bekamen damals Rabatt.
Es herrschte trotz des leicht unzüchtigen Gebarens auf einigen Zimmern, eine durchaus disziplinierte Ordnung im Haus, was auch daran lag, daß sich in den ersten beiden Stückwerken des Gebäudes die Polizeiwache der Polícia de Segurança Pública (PSP |4ª ESQUADRA) befand.
Die hatten zwar einen Nebeneingang zur eigentlichen Wachen aber der Zugang zu den Schreibbüros und Haftzellen war der selbe Eingang wie zur Pension Sevilha, die sich auf der 3. Etage und dem Dachgeschoß befand.
Direkt im rechten Nebenhaus befand sich die Pension Alegria, die eine Hauch chicer schien.
Alte Google-Maps-Aufnahmen zeigen, daß das Dachgeschoß der Pension Sevilha früher sieben kleine, niedrige Zimmer mit Gaubenfenstern hatte.
Neuere Aufnahmen lassen erkennen, daß das frühere Dachgeschoß jetzt einem Flachdach gewichen scheint.
Den alten Eingang kann man gerade noch erahnen, an der gebogenen Hauswand.
Teuer war es dort eigentlich nie auch wenn der Laden im Laufe der Jahre immer mehr verloderte.
2004 war das Dach schon so marode, daß bei s tarken Regenfällen, das Wasser durch meinen Zimmerschrank in Richtung Wache strömte. Damals durften bei extremen Wetterlagen die reichlichen Obdachlosen vom Jarim Alfredo Keil dann immer in den offenen Haftzellen der PSP übernachten.
Der Geruch im Hause war ohnehin schon stets nicht ohne aber dann wurde es sehr delikat ... :- ))), obwohl die Obdachlosen sich auch öfter mal an der Feuerwache um die Ecke an einem Hydranten waschen konnten und sich in den Rückspiegeln der Einsatzfahrzeuge rasierten. Die Fahrzeuge standen entweder in der Halle oder vor der Tür.
Lustig war - das geschah häufiger - daß diese Fahrzeuge zu einem Einsatz weg fuhren und dann immer sehr viele nur halbrasierte Gestalten da rum liefen, mit denen man im übrigen nie Stress hatte. Immer ruhig und auf Sauberkeit am Platze bedacht. Die hatten dort nämlich durchaus etwas zu verlieren, - eine gepflegten Umgang mit- und
untereinander und große Toleranz von Seiten der PSP, der Bombeiros und der Anwohner.
Gegen 23 Uhr fuhr dann der Bus der Baptisten vor und brachte Essen und Trinken und ein paar Sachen an Kleidung, schuhen oder ähnlichem ...
Den Sommer-
Job bei der LX´er Müllabfuhr während der Semesterferien in Deutschland habe ich bis 1986 gemacht für immer ein paar Wochen.
Mit den Baptisten habe ich später in den 90´gern ein paar Verteilerrunden zu den sozialen Brennpunkten in Lissabon gedreht. Dabei in Gegenden gekommen, wohin man sich nicht unbedingt freiwillig hin verläuft.
Diese Gegenden (Slums, Ghettos oder Bairros) gibt es größtenteils nicht mehr und das ist auch gut so.
Die alte Lissaboner Müllkippe gibt es auch nicht mehr. Da haben sie Ende der Neunziger ein Beton-Bairro-Slum-Gettho drüber gebaut, ohne jemals eine Bodensanierung vorgenommen zu haben. Immerhin funktionieren die Duschen dort (fast immer).
Anfang Februar war jetzt allerdings nichts los:
Februar 2020? Dann sind die aber nicht viel weiter gekommen mit der Fertigstellung des blauen Gebäudes am Deinem rechten Bildrand, welches die frühere Pension Sevilha und die PSP-Wache beherbergt hatte.
Und dann diese Kioske und Gastronomie-Scene auf dem früheren himmlischen Platz der Freundschaft mit seinem
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und
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, wo früher tatsächlich die Fischlein drin sprangen.
Die Obdachlosen beherrschten den genialen Trick, sich aus zwei tagsüber akkurat gefalteten Waschmaschinen-Pappkartons für die Nachruhe binnen drei Minuten eine formidable Hütte zu bauen, die am anderen Morgen binnen zwei Minuten wieder fein gefaltet irgendwo verstaut wurde.
Die Infrastruktur stimmte in der Gegend. War alles da, was man brauchte. Sogar den damals ältesten europäischen Jazzclub gab es dort am Platze. Den
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. Wir sind dort oft drinnen versackt ...
Hier im Forum gab es zwei Themenstränge dazu:
Feuer im Hot Clube de Portugal in Lissabon
Wiedereröffnung in Lissabon
Was daraus heute geworden ist, weiß ich nicht.
Der zweitälteste Jazzclub Europas war übrigens der
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So! Jetzt zu dem Film.
Es gibt Innenaufnahmen aus der Pension Sevilha, der Hauptdarsteller arbeitet bei der Lissaboner Müllabfuhr und ist schwul mit einigen abgefahrenen Entgleisungen - um es mal höflich auszudrücken, - wobei ich nun darum bitte, keinerlei Rückschlüsse auf meine sexuellen Präferenzen zu ziehen. Das sind alles Zufälle, wie nur das Leben sie konstruieren kann.
Der Film heißt
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, wurde 2000 gedreht und spielte auf einigen Festivals.
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Ach ja, die Lissaboner Müllabfuhr arbeitet echt noch immer nur nachts ... Ich hätte ja Böcke, nochmal ´ne Ruden zu drehen. Aber nicht mit dem Typen ...
Wer den Film haben möchte, kann mir eine PN schreiben mit mail und ich schicke das mit
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oder
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2004 fiel in der Pension Sevilha immer öfter der Strom aus, der Fernseher ging nicht mehr und die Sauberkeit erreichte ein Niveau, daß nun auch meine Grenze dessen, was ich bereit war zu ertragen unterschritten worden war.
Als in der Nacht vom 8. zum 9. März 2004 ein tunesischer Durchreisender seine vier Ziegen mit aufs Zimmer nahm, weil er Angst hatte, daß man sie in der Nacht aus seinem Bulli klaut, war das die letzte Nacht dort, die ich in diesem Hause verbrachte. Da konnte mich auch der günstige Preis von 17,00 € nicht mehr halten.
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Lissabon kaputt? Ja! Auch damals schon ... Aber mit Charme! Der Charme war aber auch schon zu dieser Zeit und an diesem Ort am schwinden und ist nun völlig verschwunden.
Bis auf die Sieben Hügel, dem Tejo, der alten Tram und dem Castelo Sao Jorge hat diese Stadt so gut wie fast kein urbanes Alleinstellungs-Merkmal mehr.
Fast alles gleichgeschaltet von nimmersatten Aasgeiern, wie in fast allen europäischen Großstädten.
Aus meiner
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...
... ist jetzt das versiffte
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draus geworden ...
(Obwohl, - die Tosta Mistas sehen irgendwie ganz gut aus
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).
Ich vermute mal, die Obdachlosen sind genau wie die Feuer- und Polizeiwache und der Hot Club auch alle weg.
So! Genug von alten Zeiten geschwärmt.
Noch Fragen?