AW: Wie seid ihr mit Portugal verbunden?
Im Januar 1988 hatte ich noch ein knappes halbes Jahr bis Ausbildungs-Ende. Ich war auch im
Job italienisch-sprechend (hatte mal einen italienischen Verlobten ...

) und hatte bereits ernstzunehmende
Job-Aussichten in Italien, doch da traf ich DEN (deutschen) Mann des Lebens und heiratete ihn kurzerhand (nach 1 Woche Heiratsantrag, nach 2 Wochen angenommen ...

).
Naja, ICH wollte nach Italien, ER wollte nach Neuseeland ... seine ELTERN hatten grad ein Grundstück in Portugal gekauft und es sollte der Bau deren Traumhauses losgehen. Sie spendierten uns die Hochzeitsreise in ein TRAUMHAUS einer alten Senhora in São Brás de Alportel - ja, sehr vornehm, aber das für uns gemietete Häuschen in ihrem Garten war leider belegt von ihrer Nichte und so schliefen wir mangels portugiesischer Sprachkenntnisse (die in diesem Fall einzig zum Meckern angebracht gewesen wären) in einem Gästezimmer zur Straße hin - des Nächtens schossen die LKW vorbei und wir fielen aus den Betten - ja - DEN Betten, denn es gab kein Ehebett und die typisch portugiesischen Betten waren schmal (das hätte uns nicht gestört - wir waren ja auf Hochzeitsreise

) aber leider auch sehr kurz, so daß mein frischer Ehemann so quer im Bett liegen mußte, daß ich nicht mehr daneben paßte

und so auch unsere Hochzeitsnacht eher untypisch verlief ... und mein Hochzeitsstrauß, den ich aus Versehen vergaß rechtzeitig unter die jungfräuliche Jubelmenge zu schmeißen (am Flughafen vor Abflug) von Ameisen zerfressen wurde, die in unseren Betten ihre Heimat hatten ...
na, irgendwie machte der 3-wöchige Aufenthalt insgesamt nicht so DEN optimalen Eindruck auf mich und ich blieb (wie seit meiner Kindheit) eingefleischter Italienfan, zumal mich dieser Vladimiro - der das Haus meiner Schwiegereltern bauen sollte, selten auffindbar war, wir aber den Auftrag hatten, diesen zu beaufsichtigen - mich verrückt machte!
Über ein Jahr nach unserer Hochzeit - im Oktober 1989 - wir hatten gerade eine Eigentumswohnung in D. gekauft und waren am Ende unserer finanziellen Kräfte - kamen meine Schwiegereltern aus ihrem Portugal-Urlaub zurück (der Bau ihres Hauses hatte läääängst begonnen und war furchtbar aufregend und nervenaufreibend) und waren ganz kirre mit einem "casa antiga", das sie selbst sofort kaufen würden ... Die Fotos dazu - ich erinnere mich - es waren 5: eine Mauer im Garten, der Eingang zu einem Zimmer, die Minigarage und zwei weitere nichtssagende Fotos vom Garten (völlig verwildert damals) - es waren die letzten Fotos des letzten Urlaubsfilms - und sie konnten sich auch nicht mehr an Einzelheiten (Größe Grundstück, Größe Haus, Anzahl Zimmer ..) erinnern, die Aussicht sollte aber toll sein ... und es sei DAS Ding und wir erinnerten uns, daß es sicherlich irgendwo noch schöner als in Portugal sein könnte, aber uns doch - im Nachhinein - vor allem die Portugiesen beeindruckt hatten mit ihrer ruhigen Bescheidenheit und ihrem lässigen Leben-und-Leben-lassen! - und wir sagten den Kauf des Hauses zu (ohne zu wissen, wie wir das finanziell auch noch stemmen sollten ...) und mussten dann auch sofort die erste Anzahlung leisten!
Ein Freund, Sven - manch einem noch bekannt aus URALTEN Forenzeiten - nahm sogar für uns einen Kredit auf

und wir mußten uns soooo quer legen in den folgenden 1 - 2 Jahren, daß wir nichtmal Geld für einen Café in einem Café hatten ...
Erst 5 Monate später - im April 1990 - sahen wir zum ersten Mal das Haus! ich bekam einen Heulkrampf und alle waren entsetzt!!!

Aber es war ein Heulkrampf vor lauter Glück! Es war einfach DER Platz!
Ich hatte im Januar 1990 zum Glück einen neuen Arbeitgeber gefunden und habe dort sooooo viel mehr Geld verdient als vorher, daß es uns in den folgenden Jahren WESENTLICH besser ging!
Die folgenden Jahre verbrachten wir 1 - 2 Mal im Jahr ALL unsere Ferien dort und uns war aber auch klar, daß Renovierungen dringend anstanden. Also sprachen wir unseren Nachbarn Armando an, der rechnete 1992 unseren 4-wöchigen Urlaub lang rum, gab uns auf einem Zettelchen die Gesamtsumme bekannt für alle von uns gewünschten Renovierungsarbeiten, wir rechneten auch und akzeptierten und er hatte dann Zeit bis 1996 - das war das Jahr, in dem wir planten hierher zu ziehen. Und: Obwohl wir nur ab und an in den Ferien "nach dem Rechten" sehen konnten, hat Armando hervorragende
Arbeit geleistet. Das Haus war fertig und wir konnten wie geplant im August 1996 umziehen.
Wir hatten für ca. 2 Jahre Ersparnisse angesammelt, so daß wir uns erstmal nicht soooo große Sorgen um die berufliche Zukunft machen mußten - aber trotzdem streckten wir die Fühler aus, da wir ja noch laaaaange nicht im Rentneralter waren und auch keine reichen Eltern haben ... Irgendwie lief es dann auch los, ein paar Jobs hier und da - und plötzlich lief es einfach.
Beruflich weine ich meiner Firma in München manchmal nach - ich habe einfach super verdient dort - aber meine Lebensqualität würde ich hier doch als um einiges höher einstufen.
Ich habe niemals vorher in meinem Leben das Gefühl gehabt, so unabhängig und "frei" zu sein. Ich kann hier durchaus mal über die Stränge schlagen (naja, ich bin einfach ich selbst!) - und werde überhaupt nicht schlecht beurteilt - in München war das SEHR anders! Ich fühlte mich eingeengt (zum Beispiel war ich ein Außenseiter, weil ich kein Auto hatte - ich wohnte eben in der Innenstadt sooooo optimal, daß ich keins brauchte!) ! Dort war STADT - hier lebe ich auf dem LAND - und klar tratschen die Leute übereinander - aber hier ist man wie Familie. Das habe ich nicht mal in dem doch relativ kleinen Ort bei München, in dem ich aufgewachsen bin, gefühlt!
Trotz nach wie vor nicht ganz perfekter Sprachkenntnisse (letztens wurde ich als "nicht-São-Brasenserin" erkannt, weil mein Akzent "fremd" wäre ...) fühle ich mich hier so pudelwohl, daß ich mir im Moment nix anderes vorstellen kann - das war vor 2 Jahren mal ganz anders, da gingen mir "die Portugiesen" echt auf den Keks - es hatte viel mit portugiesischem "komm ich heute nicht komm ich morgen" beruflich zu tun und anderen vor allem bürokratischen Dingen - aber mittlerweile hab ich mich wieder gefangen. Es gibt halt überall Vor- und Nachteile
Der damalige Ehemann ist nun Ex-Mann, ich hab bei meinen damaligen Noch-Schwiegereltern, die auch 1996 (Rentenbeginn) hierherzogen, meinen jetzigen Mann - den russischen Koch - kennengelernt (2005) und fühle mich seither noch pudelwohler


!
Portugal hat sich seit 1988 SEHR verändert - vieles nicht unbedingt zum Vorteil - aber ich liebe es nach wie vor, hier zu leben. Morgens mein Galão im Café bei Maria Dias mit allem Klatsch des letzten Tages, wir lachen, wir weinen (gerade über die Madeira-Katastrophe), wir streiten, wir albern rum.
Was mich hier sehr beeindruckt, sind die Bescheidenheit und - trotz mangelnder Schulbildung! - einfache Weisheit meiner Nachbarn. In den letzten 2 Jahren beeindruckt hat mich meine tiefe Verbundenheit mit Dª Teresa, 88 Jahre alt, so bescheiden, so arm (an Geld) und sooooo reich an persönlichem Glück! Und obwohl wir nicht nur aus völlig verschiedenen Altersgruppen und Lebensumständen kommen, verbindet uns eine tiefe Freundschaft, die ich in Deutschland - glaube ich - kaum gefunden hätte.
Wenn ich auf Deutschlandurlaub bin, sage ich zur Begrüßung "bom dia" und will Küßchen geben (obwohl ich eher auf körperlichen Abstand am Anfang stehe) und plappere mit den Kassierern bei Karstadt über das Wetter. Die gucken mich dann an, als käme ich vom Mond!
Nö, mag den Mond zwar sehr, lebe aber nur in Portugal! (daher ...

)
bevor ich jetzt einen Roman schreibe ...
