Ich habe mir gestern noch das Video über die angebliche Abzocke angeschaut. Im Netz darf eben jeder in feinster Proll-Manier unqualifizierten Schwachsinn verbreiten. Das wird auch nicht mehr besser. Also, sich ärgern nutzt nix. Bei solchen Videos sitzen die Dummen ja auf beiden Seiten. Anbieter und Konsumenten.
Für unerfahrene Portugalreisende möchte ich ein klein wenig Licht ins Dunkel bringen. Der letzte Wirt im Video hatte vollkommen recht. Couvert war in Portugal schon immer Standard. "Abzocke" in Restaurants kommt in Portugal selten vor. Selbst in Lissabon wird man nicht wirklich "abgezockt". Man bekommt und bezahlt, was man bestellt. Preis-Qualitäts-Relation bestimmen Angebot und Nachfrage. Ein Käse ab 5 €. Presunto, die Paio etc. ab 8 €. Salada de Polvo/Chocos etc. eher noch darüber. Das sind portugalweit Standardpreise. Standard-Fisch (Robalo, Dorade) ab ca. 40 €/kg.
In Lissabon bekommt man üblicherweise ähnliche Preise. Der Unterschied ist die Qualität. Ich bezweifle, dass diese angeblich so leckere Fischplatte (Preis war okay) auch lecker war. Wer zum ersten Mal einen solchen Fischteller bekommt, mag das glauben. Wer öfter Fisch isst, selbst Fisch kauft und zubereitet, wird das anders beurteilen. Guter Fisch ist einfach teuer. Es muss nicht immer Wildfang sein. Aber Fisch muss frisch verarbeitet werden. Und das vom "frischen Fisch" an jeder Ecke ist einfach nur eine Legende. Das Gegenteil ist die Realität. Frischen, guten Fisch muss man suchen und zahlt anständig dafür. In einem einfachen, bodenständischen, guten Fischrestaurant (das übrigens niemals abends oder montags offen hat) legt man mit Oliven, Brot, kleinem Salat, einer kleinen Karaffe Hauswein und dem Café ab 25 € auf den Tisch. Ich zahle meistens mehr, da ich oft einen edleren Fisch auswähle, einen besseren Wein trinke und mir manchmal noch einen Nachtisch gönne. Und das weitab von Lissabon, in bescheidenen, aber beliebten Fischrestaurants.
Couverts kommen seit Corona unter Plastikfolie auf den Tisch und Brot in Tüten. Das war vor 2020 die Ausnahme. Da gab es noch Brotkörbe. Sardinenpaste und Butter werden, wie er treffend im Video erwähnt, in diesen kleinen Päckchen gereicht, die an ein Hotelfrühstück erinnern. Das war korrekt. Der Käse oder der luftgetrocknete Schinken sind dagegen meist regionale Spezialitäten. Nun ja, was die Touristenfallen so auf den Tisch geben, weiß ich nicht. In einem guten, ländlichen "Fleisch-Restaurant" bekommt man Paio/Presunto etc. aus regionalem Anbau, die beim Produzenten schon nicht gerade billig sind. In Azeitão gibt es bspw. hervorragenden Käse. Ein guter Amanteigado kostet 7,00 €/200 g in der Käserei. Davon gibt es hier eine Handvoll. Bspw. mein Favorit:
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. Für Restaurants machen die kleinere Käse, ich glaube 100 g. Da sind ab 5,00 € fast schon ein Schnäppchen. Couverts ermöglichen in guten Restaurants, regionale, hochwertige Spezialitäten zu probieren.
Wer gleich von Anfang an weiß, dass er bspw. nur die Oliven möchte, lässt den Rest freundlich wieder abtragen. Auch das ist Standard und geht selbst ohne Sprachkenntnisse ganz einfach ohne gestresstes Herumfuchteln mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck. Einfach offen lächeln, dabei den Kopf leicht schütteln, auf die Teller zeigen und notfalls auf Deutsch „Nein, danke“ sagen. Das nimmt einem niemand übel und es ist in Portugal auch keine "Nötigungsstrategie", das Couvert ungefragt auf den Tisch zu stellen. Vielmehr ist es ein Service, den man schätzen sollte.
Die manchmal ausgewiesenen 10 Prozent Trinkgeld empfinde ich auch als "Abzocke". Trinkgeld wird allerdings, seit man mit Karte zahlt, weniger gegeben. Dennoch ist das eine Unart, der man aber eigentlich – zumindest ich – fast nie begegnet. Wenn es jemandem doch begegnet (das war bei mir schon Jahre her), dann empfehle ich die gleiche Strategie. Zeigt auf die 10 Prozent und sagt freundlich, ruhig und lächelnd. "Das möchte ich nicht bezahlen, danke." Auch Gäste können Wirte erziehen. Macht das jeder so, dann werden die Wirte die 10 Prozent von vornherein in die Preise einkalkulieren und die Bediensteten anständiger bezahlen. Das ist dann fair, finde ich, und lässt Spielraum, guten Service freiwillig und gezielt zu belohnen.
Ausnahme (!): Steht deutlich und sichtbar auf der Speisekarte, dass 10 Prozent Servicegebühren auf die Rechnung kommen, dann ist es vollkommen korrekt und auch rechtlich bindend.
Fazit: In Portugal wird man selten im Restaurant abgezockt. Sorgt Euch weniger um ein paar Euronen oder ein mal zu viel oder zu wenig ausgewiesenes Brot. Sucht lieber nach einem guten Restaurant. Habt Ihr eines gefunden, in dem ihr Euch auch wohl fühlt, dann genießt das gute Essen und die Entspannung! Umsonst ist der Tod und selbst der kostet das Leben.