Cool
@Ricarda Verreet, Schokomilch bereit?
Habe nur einen Mate-Tee vor mir stehen. Wein muss noch warten, vielleicht sogar bis zum Wochenende.
Ich mach es jetzt erst einmal langatmig. Muss sein, um die Positionen zu klären.
Ich habe Deinen verlinkten Beitrag angeschaut. Erst einmal vorweg. Mein Ding ist dieser "gedeckte Tisch" nicht. Nur das "Grünzeugs" und das Wasser kommt davon bei mir auf den Tisch. Wasser kaufe ich bei Aldi
, Grünzeugs ausschließlich auf dem Wochenmarkt. Schrimps habe ich in DE nie gekauft und kaufe die hier nur auf dem Markt beim Händler meines Vertrauens, die kleinen aus der Bahia und lebend. Sind hier eine Spezialität und kommen nur sehr selten auf den Tisch, weil ich mir 40,00 Euro aufwärts pro Kilo auch nicht täglich leisten kann. Mousse machen wir manchmal selbst aus Eiern vom lokalen Kleinbauermarkt (die dreckigen mit Federresten und Hühnerkacke), 85%-90% Bitterschokolade und anständige Butter vom Aldi.
Geschmäcker und Essgewohnheiten sind für mich tabu. Jeder wie er will und kann. Ich schreibe das nur, um die Unterschiede aufzuzeigen. Du warst ja bei mir noch nie zu Hause. Das ist wirklich absolut wertfrei und weder besser noch schlechter als Dein gedeckter Aldi-Tisch. So mache ich es halt. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Jetzt aber zum Stein des Anstoßes.
Nehmen wir den Kartoffelsalat. Ob Du den für 1 Euro xx (schätze ich einmal) bei Aldi kaufst oder vielleicht doppelt so teuer ein Markenprodukt wie Homann (wenn ich mich an den Namen richtig erinnere), dann nimmt sich das nicht viel, vermute ich einmal. Aldi produziert günstig, gibt wenig für Werbung aus und verkauft über den Preis. Homann macht in etwa dasselbe Produkt, verkauft aber nicht über den Preis, sondern über Marketing. Beides sind Industrieprodukte von vermutlich ähnlicher Qualität. Ob Aldi-Salat bei Aldi oder Homan bei Edeka, macht für mich keinen nennenswerten Unterschied. Wir sind doch noch d'accord? Oder?
Nehmen wir nun mein berüchtigtes "Chlorhühnchen". Damit meine ich einfach nur billigste Hühnchen aus industrieller Massenproduktion. Und hier habe ich eine Meinung und feste Überzeugung. Ich unterstütze solche Produkte und Produktionsmethoden nur am Rande, wenn uns im Restaurant mal nach einem Frango Assado gelüstet. Da blende ich aus, dass das Ding vermutlich auch aus irgendeiner Massenproduktion stammt, genau so wie die Billig-Massenproduktionseier, die im Nachtisch verarbeitet sind. In unserer Küche gibt es nur fette Hühner vom besagten Markt von einem Mütterchen, das uns die Dinger auf Bestellung und wenn sie welche hat verkauft.
Wenn die keine hat, kaufe ich keine. Ich muss kein Hühnchen essen, um glücklich zu sein. Die Dinger sind nicht billig. Kommt bei uns so einmal im Monat auf den Tisch. Das gibt dann ein im Ofen gebratenes Hühnchen, eine Suppe (canja de galinha) und brasilianische Coxinhas. Aus den Knochen könnte man sicher auch noch was machen, aber seis drum. So ein Ding kostet bis 15,00 Euro. Habe grade mal bei meiner Frau nachgefragt. Davon essen wir (Eltern plus zwei kleinere Kinder, aber die essen wie Gourmants und nicht wie Gourmets) zwei Tage. Zum Beispiel so:
Gockel aus dem Ofen, nächster Tag Suppe plus Spagetti mit Pilzen/Aglio e Olio/Tomatensoße what ever, dann nächster Tag Gockelreste und zwischendurch Coxinhas/Canja, dann meinetwegen ein Risotto. Da ist die Woche halb vorbei und wir haben günstig und gut gegessen. Klar, Beilagen, Salat, Obst usw. kommt noch dazu. Ich will nur aufzeigen, dass man auch mit wenig Geld gutes Fleisch essen kann. Unser Frango Assado no Forno bringt soviel "Soße" in die Backpfanne, dass mir ein einziger Schlegel vollkommen ausreicht und ich damit die Beilagen fast lieber mag. Wenn die Kids nach mehr schreien, gibts halt bei mir mehr Kartoffeln auf dem Teller.
Jetzt gibt es wirklich arme Menschen, die selbst am Reis und an den Kartoffeln sparen müssen. Das ist tragisch aber garantiert die Ausnahme. Von denen könnte aber auch kein Aldi&Co. leben. Meine steile These ist, dass der Stellenwert guter Nahrungsmittel in DE und auch in PT gering ist, zu gering ist. Am Essen wird gespart, aber man will trotzdem alles auf dem Tisch haben, Fleisch, Steaks, Lachs, Schrimps und man gibt dann sein Geld für Autos, Handys und Billigklamotten aus (ein weiteres Thema). Man könnte sich besseres Essen leisten, legt aber keinen Wert darauf.
Dumm ist, dass dieses Konsumverhalten viele Probleme nach sich zieht. Problematisch für Lebensmittelproduzenten, problematisch für arme Länder, grausam für Tiere, belastend für Umwelt, gesundheitlich bedenklich (Antibiotikaresistenzen sei erwähnt) und global gesehen ungerecht.
Und jetzt denke noch mal an das alte Mütterchen, dass mir ihren Gockel verkauft, der 10 Kilometer weiter auf Ihrer Quintinha ihre Essensreste und unverkaufbares Gemüse etc. gepickt hat. Die 15,00 Euronen gehen in Ihre Tasche. Ihre Kartoffeln, Zwiebeln und den Lauch kriegt sie auch noch an mich los. Das klingt romantisiert, ist es auch teilweise, aber Fakt ist, dass ich direkt vom Produzenten hochwertige Lebensmittel bekomme. Mir macht das Freude, und ich mache mir gerne die Mühe auf den Markt zu gehen, zumal immer wieder ein Schwätzchen abfällt.
So, jetzt halte ich die Luft an und lasse Dich zu Wort kommen. Ist ja ne Kneipe und kein Rednerpult. Nur noch eins. Mein Punkt ist oder meine These ist, dass sich unsere Essgewohnheiten und Kaufgewohnheiten (und nicht nur die) ändern sollten. Weniger Fleisch und mehr regionale Produkte, die sozial- und umweltverträglich sind, näher an den Produzenten ran. Nur so wird man auf Sicht die 7 Milliarden (bald 8, 9, 10, ...) ernähren können, ohne unsere Erden zu zerstören. Aldi ist für mich ein Synonym für einen Weg, der in vielen Bereichen (nicht überall) in die falsche Richtung geht. Ich kaufe auch oft bei Aldi ein. Anständige Jogurt gibt es nur dort
Denk bitte nochmal nach, ob das jetzt lausiges Aldi-Bashing ist.
.... oh ... ich rieche eine Feijoada .... riecht fast fertig ... mach mich mal dünne ... ich glaube, der Wein muss nun doch schon heute herhalten