Hallo Chap,
Vielleicht ist es ein Fehler, dass Parteien am extrem rechten oder linken politischen Rande erst einmal kategorisch von jeder Koalition ausgeschlossen werden.
Ich weiß nicht, dass alles hat ja auch nicht nur etwas mit Taktik oder Strategie zu tun, sondern auch mit persönlichen und politischen Befindlichkeiten. Ich kann mir gut vorstellen, dass es auch in der CDU eine Menge Mandatsträger gibt, die es widerwärtig fänden, mit der AFD zusammenarbeiten zu müssen. Natürlich gibt es auch viele die das vermutlich anders sehen, aber das ist ja das Problem: Sollte es tatsächlich zu einer Zusammenarbeit kommen, drohen etwa der CDU natürlich intensive Konflikte und eine Spaltung.
Und: Ich sehe schon den Unterschied zwischen einer Zusammenarbeit etwa in einer Gemeinde oder in einem Land zum Bund. Ich will jetzt nicht sagen, das eine ist weniger "schlimm", aber in den Gemeinden und Ländern sind die Entscheidungsmöglichkeiten eben doch begrenzt. Stell dir bitte mal einen Außenminister vor, der von der AFD kommt oder vielleicht einen Innenminister. Sollte die AFD im Bund in Regierungsverantwortung kommen, würde sie natürlich intensiv versuchen, für ihre Klientel auch wirklich zu liefern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das gesellschaftlich irgendwie funktionieren könnte.
Bei den Linken ist die Sache insofern ein bisschen anders, als dass es dort natürlich wirklich eine ganze Menge echte Spinner gibt, wie Sevim Dagdelen, aber eben auch Personen, die wirklich eindeutig eine hohe Integrität besitzen. Ein Hamburger Beispiel, der ist seit ein paar Jahren ausgetreten, stimmt, ist etwa Fabio De Masi, und ich halte auch Bodo Ramelow für einen integren Politiker. Es gibt auch noch ein paar andere Beispiele.
Natürlich werden rechte Parteien in Regierungsverantwortung entzaubert – bisher jedenfalls. Ich verfolge das ja, wie du auch, seit vielen Jahrzehnten und kann sagen dass sowohl in Berlin, wo viele Republikaner in die Parlamente einbezogen sind und woanders die DVU oder die NPD immer auch und vor allem an der Korruption ihrer Mandatsträger gescheitert sind. Erstens waren sie natürlich auch erfolglos, auch weil sie von den anderen Parteien gemieden wurden, und konnten einfach für ihre Wähler kein reales Politikangebot machen. Sie wurden aber auch nicht mehr gewählt, weil klar war, dass das Personen sind, von denen man eigentlich eher nicht vertreten werden will. Aber ...
Ich denke, der letzte Punkt hat sich mittlerweile geändert. Mit Trump wurde tiefe Verachtung der sogenannten "political correctness" nicht nur hoffähig, sondern auch geradezu erwünscht und Bedingung. Die rassistisch und sexuell konnotierte Hetze gegen andere und die Lüge sind eindeutig politische Instrumente geworden. Die Wähler der AFD wollen geradezu, dass die Partei mit allen Mitteln gegen "die da oben" vorgeht. Das wäre auf jeden Fall immer auch, wie Trump, eine Opposition innerhalb der Regierung. Die FDP macht sowas zur Zeit ja auch irgendwie, aber natürlich halten die sich auch noch an gewisse demokratische Gepflogenheiten. Das wäre bei der AFD an vielen Stellen sicherlich nicht mehr der Fall. Ich vermag nicht zu sagen, was daraus würde aber vielleicht wächst der Zuspruch ja auch eher noch.
Man darf nicht vergessen: Bei der letzten wirklich freien Reichstagswahl hatte die NSDAP im November 1932 33,09% der Stimmen und hatte im Vergleich zur vorigen Wahl sogar um die 4% verloren. Das hat damals aber gereicht, um die kommende Reichstagswahl am 05.03 1933 so massiv zu beeinflussen, das für die Opposition die Bedingungen immens verschlechtert waren. Hitler war Ende Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt worden und konnte, obwohl er "nur" 33% hatte, das ausnutzen, um die Opposition kalt zu stellen. Bei der kommenden Wahl 1933 bekam die NSDAP dann knapp 44% und eine Mehrheit im Reichstag. Diese Wahl war die letzte Wahl der Weimarer Republik, an der mehrere Parteien teilnahmen.
Wenn du mich fragst: Man müsste die AFD sofort verbieten, und auf keinen Fall sie in Regierungsverantwortung kommen lassen. Zur Demokratie gehört auch, dass man den Menschen klar macht, dass Feinde der Demokratie nichts im Parlament zu suchen haben.