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meine ersten Erfahrungen

Guten Morgen,

Gleich gibt es ein buddhistisches Frühstück, Guen Mai, eine Art Reissuppe, von Adana zubereitet.

Gestern haben wir das Cap Finisterre umschift und haben in der letzten Nacht im Ría de Muros genächtigt. Heute geht es weiter nach Vigos und zur Zivilisation, Wasser und Essen fassen... aber erst einmal etwas vom gestrigen Tag. Orcas haben uns nicht besucht.


Nachdem wir erfolgreich das berüchtigte Kap Finisterre umschifft hatten, mit einem respektvollen Abstand, da mein Freund orakelte, man müsse „nicht jeden Kampf mit dem Seemonster annehmen“, entspannen wir uns. Wir sind nun in Galicien, dem Land der Rías – fjordartigen Buchten.
Nachmittags fahren wir tief in die Ría de Muros hinein. Mit einem leisen Zischen fahren wir den Ballastkiel und die Ruderblätter hoch, bis unser Tiefgang weniger als einen Meter beträgt. Das buddhistische Prinzip des Loslassens wird hier auf See angewandt.
Wir ankern in einer völlig menschenleeren Bucht. Die Hügel ringsum sind mit dichtem, grünem Wald bedeckt, eine Landschaft, die so ganz anders ist als die karge isländische Heimat meines Freundes, die auch ich sehr gut kenne, ein hartes, karges Land mit harten Menschen, voll von Sagas, Poesie, Gefühl und Geschichten. Mein Freund nickt anerkennend. „Die Ruhe ist hier tief. Wie in Gletscherspalte.“
Schwester Adana sitzt auf dem warmen Deck, mit Blick auf die nebelverhangenen Berge. Ihre Meditation ist diesmal eine geführte Klangschalen-Session. Der klare, reine Ton der Schalen dringt durch die Stille der Bucht, vermischt sich mit dem leisen Rauschen der Brandung.
Ich sitze auf dem Vorschiff, Hrafn liest in einem Roman von Jón Kalmann Stefánsson. Ich kenne es in der englischen Übersetzung, ein Buch von der Härte des Lebens, dem Meer, der Liebe und dem Schicksal, ein Buch von Fischerdörfern und Menschen, sehr poetisch und gefühlvoll. Ich schaue ihnen zu. Es ist einfach Ruhe. Es scheint, als würde der Aluminiumrumpf selbst den Klang absorbieren und die Vibrationen der Stille ins Innere leiten. Die Nonne, der Isländer, der Poesie las, und ich, der auf die Stille starrt. Eine unwahrscheinliche Crew.

 
Alleine diese Beschreibung der Segelreise klingt schon wie ein Roman. Das Leben schreibt ja manchmal die erstaunlichsten Geschichten.
Und Deine Schilderung ist auch so eindrucksvoll, man kann fast die See riechen, den Wind fühlen und die Klänge hören..
Nebenbei enthält sie auch noch einen wertvollen Lesetipp. Ein weiteres Dankeschön für das Alles.
 
Danke! Gibt es einen thread hier im Forum in der Art, was lest ihr? Die halbherzige Suche meinerseits hat nichts ergeben.

Gestern sind wir nach Vigo gekommen, ein Kulturschock sondergleichen, wie ihr gleich erfahren werdet. Heute werden wir den Ort fluchtartig verlassen, nachdem wir unsere Vorräte aufgefüllt haben. Aufgrund der hiesigen Erfahrungen haben wir eine etwas andere Weiterfahrt geplant. Aber genug, die Geschichte geht weiter.... gestern früh...


Ich wache auf in der tiefsten Stille. Die Aluminiumhülle der Yacht gibt nur ein leises Knistern von sich, wenn sich die milde Atlantikdünung in die Bucht verirrt. Wir liegen so nah am Ufer, daß ich den feuchten Duft von Kiefer und nassem Sand riechen kann. Gestern Abend konnten wir fast trockenen Fußes an Land gehen, heute morgen markiert das Heben des Ankers den Abschied von dieser Exklusivität. Die Winde aus Nordost, die Nortada, beginnen bereits zu wehen, leicht und kühl. Nach einem gemeinsamen Frühstück ziehen wir den Anker hoch. Die Kette kommt sauber, aber naß. Für einen Moment stört der Dieselmotor die himmlische Ruhe, doch wir brauchen seine Kraft, um die Yacht aus der engen Bucht zu manövrieren. Dann, mit einem dumpfen, hydraulischen Geräusch, senkt sich der Hubkiel wieder in seine Tiefe. Die Yacht verwandelt sich vom flachgehenden Küstenkreuzer zurück in das hochseetüchtige Schiff, bereit für die offenen Meere. Wir setzen das Großsegel und die Genua, stellen den Motor ab. Jetzt existiert nur noch das Rauschen des Wassers entlang der Bordwand und der Wind in den Ohren. Wir gleiten schnell südwärts.

Der Wind erwischt uns perfekt. Mit dem nordöstlichen Wind an der Seite segeln wir einen schnellen Raumschotkurs, ein Segelkurs, bei dem der Wind schräg von hinten hilft, entlang der galicischen Küste. Das Schiff liegt ruhig, die Aluminiumkonstruktion schluckt die kleinen Wellen der Ría. Als wir die geschützte Ría de Muros y Noia verlassen und uns der Mündung der nächsten Ría nähern, ändert sich die Bewegung schlagartig. Wir spüren das erste Anzeichen des offenen Atlantiks. Es ist nicht der Wind, der uns trifft, sondern die mächtige Dünung, die von weither kommt. Unsere Yacht beginnt, in langen, sanften Perioden zu rollen. Wir reiten auf den Rücken gewaltiger Wellen, die das tiefe Wasser unter uns anzeigen. Das Schiff ist stabil, gebaut für genau diese Bewegung, und ich spüre das Vertrauen in unsere robuste, hochseetüchtige Yacht. Ich sehe die grünen, zerklüfteten Kaps vorbeiziehen. Die Küste ist rauh, aber wunderschön, gespickt mit kleinen Fischerdörfern. Weiter draußen bemerke ich vereinzelte, robuste Fischereifahrzeuge, Trawler, die in diesen nährstoffreichen Gewässern arbeiten. Sie sind die ersten Zeichen der maritimen Industrie, aber noch sind wir von der Zivilisation durch weite Wasserflächen getrennt.

Nach Stunden schneller, aber gleichmäßiger Fahrt tauchen majestätisch vor uns die Illas Cíes auf. Sie wirken wie Wächter der Ría de Vigo. Diese Inseln bilden eine beeindruckende Barriere aus hohen Klippen, die den Atlantik abwehren. Ich sehe die beinahe unwirklichen weißen Sandstrände, die die besondere Natur dieses geschützten Ortes unterstreichen. Hier herrscht die unberührte Natur vor, unter der Oberfläche leben Kraken, Hummer und Seeaale in den nährstoffreichen Gewässern, erzählt mein Freund. Doch während wir zwischen den Cíes und dem Festland hindurchfahren, verschiebt sich die Szenerie. Im Dunst des südöstlichen Horizonts beginnt die Silhouette der Industrie von Vigo Gestalt anzunehmen. Die Häuser werden dichter, die Farben heller, und Rauch steigt über Fabriken auf.

Dies ist der visuelle Wendepunkt, wir verlassen die schützende Wildnis des Nationalparks und steuern direkt auf das pulsierende Herz Galiciens zu. Der Schiffsverkehr nimmt sprunghaft zu. Fähren rauschen vorbei, die Passagiere zwischen dem Festland und den Inseln transportieren. Wir müssen unsere Aufmerksamkeit verdoppeln, um uns im immer dichter werdenden Netz aus Freizeitbooten und den ersten großen Handelsfahrzeugen zu bewegen.

Der Lärm kommt zuerst. Nachdem wir stundenlang nur Wind und Wasser gehört haben, werden wir nun von einem Crescendo menschlicher und maschineller Geräusche überwältigt. Das tiefe, dröhnende Horn eines Frachters, das Kreischen von Möwen über dem Fischereihafen und das permanente Summen der Stadt bilden einen ohrenbetäubenden akustischen Angriff. Die Größe der anderen Schiffe wirkt schockierend. Unsere Yacht wirkt plötzlich winzig. Wir kreuzen einen Fahrwasserbereich, der von massiven Handelsschiffen dominiert wird, riesige Ro-Ro-Fahrzeuge, Hunderte von Metern lang, die Fahrzeuge für den Export laden, vielleicht auf dem Weg nach Zeebrugge, und am Horizont ankert ein massiver Kreuzfahrtriese. Überall dominieren stählerne Silhouetten, Containerstapel, gigantische Verlademaschinen und die strengen Linien der Hafenanlagen. Auch der Geruch verändert sich radikal. Der reine, salzige Duft des Ozeans weicht einem komplexen Gemisch aus Diesel, Abgasen, heißem Metall und dem unverkennbaren, intensiven Geruch des Fischereihafens. Die Navigation wird zu einer Konzentrationsaufgabe. Kein entspanntes Segeln mehr. Mein Freund steht konzentriert am Steuer, das Manövrieren muß präzise sein. Wir müssen unseren leistungsstarken Motor nutzen, um in den engen Korridoren zwischen den festgemachten Frachtern und den Werften von Bouzas zu bestehen.

Wir passieren die letzten industriellen Ankerplätze und steuern direkt auf das Stadtzentrum zu, wo sich der Real Club Náutico de Vigo befindet. Ich sehe die mehrstöckigen Gebäude, die Restaurants und die Menschenmengen, die die Promenade säumen – die Zivilisation fängt hier tatsächlich wieder an, unmittelbar am Kai. Wir konzentrieren uns auf das finale Manöver, zwischen den anderen, bereits festgemachten Yachten. Wir nutzen die volle Kraft unserer Crew, um die Festmacherleinen vorzubereiten. Die Tiefe ist dank der Hafenstruktur und unseres Hubkiels kein Problem. Die Leinen werden geworfen. Der erste Klampenstoß, ein dumpfes Geräusch, das das Ende der maritimen Reise signalisiert. Unsere Aluminiumyacht liegt still, eingebettet in Beton und Lärm. Ich höre das Lachen von Passanten, das Klingeln von Mobiltelefonen und die Musik aus einem nahegelegenen Restaurant. Die sensorische Überflutung ist total, ein Bruch mit der stundenlangen, selbstgewählten Isolation. Wir haben die weite, einsame See gemeistert, aber nun stehen wir vor der abrupten Notwendigkeit, uns wieder an die Dichte, die Gerüche und die Geräusche der urbanen Welt anzupassen. Wir sind angekommen, zurück in der Zivilisation.
 
Gibt es einen thread hier im Forum in der Art, was lest ihr? Die halbherzige Suche meinerseits hat nichts ergeben.
Ich glaube nicht, es wird immer mal wieder was eingestreut.
Wir haben dies hier: Bücher mit Portugalbezug
Ich zB mache das im Urlaub gerne und wähle entsprechenden Lesestoff.
Aber so ein Faden wäre natürlich zu gründen, es gibt doch im Forum tatsächlich noch Menschen, die ein Buch zu schätzen wissen...
 
Heute war es anstrengend, und es soll anstrengend bleiben...

Das Tuch knallt, und die Yacht schießt aus der Ria de Vigo. Ich stehe am Niedergang. Neben mir steht Hrafn, mein Freund und und Eigner, dessen Hände auf den Winschkurbeln liegen wie auf einem vertrauten Instrument. Seine Gegenwart ist der einzige Anker, den ich im Chaos dieses ersten Tages besitze.
Wir stampfen sehr hart an den Wind. Das Schiff ist ein stetes Rollen, anstrengend. Die Nortada, dieser Nord-Nordwest-Wind, den wir laut Hrafn die ganze Küste hinab bekämpfen müssen, bläst uns sofort ins Gesicht. Es ist kein gemütliches Segeln, es ist ein Kampf, den Hrafn mit stoischer Ruhe orchestriert. Ich spüre die Integrität des Aluminiumrumpfes unter mir, sie ist unsere Versicherung gegen die Wucht des Atlantiks, aber auch gegen die moderne, irrationale Gefahr.
Die Angst ist nicht der Sturm, sondern das Unsichtbare: die Orcas. Sie warten irgendwo da draußen, Riesen, die unsere Ruder als Spielzeug betrachten. In meiner ersten Wache fixiere ich den Horizont, meine Wachsamkeit ist eine Mischung aus Sorge und Pflicht. Wir haben uns vorbereitet, Ruder rein, Segel runter, ob uns das rettet? Hrafn sagt ja. Es ist nicht das erste Mal das er seine große Fahrt hier macht.
Adana sitzt im Cockpit, sie ist ein unbeweglicher Fels. Sie meditiert, während das Boot ächzt. "Du kämpfst gegen die Angst vor dem, was vielleicht kommt“, sagt sie leise, ohne die Augen zu öffnen. "Die wahre Freiheit ist, im Alleinsein der Wache ganz zu sein, unberührt vom Schlamm der Anhaftung“. Ich erkenne, dass die Yacht nicht nur ein Boot ist, sondern ein philosophischer Raum, der mich zwingt, mich dem Unbekannten zu stellen.
Am Nachmittag erreichen wir Viana do Castelo. Die Igreja da Misericordia leuchtet in ihrer Pracht, ein starker Kontrast zur kargen, salzigen Realität der Atlantiküberquerung. Wir liegen ruhig am Liegeplatz, der Lärm des Windes weicht dem Geruch von gegrilltem Fisch. Ich habe den ersten Schlag überstanden.
 
Sonntag:

Wir sind um kurz nach sechs Uhr morgens wach. Der frühe Start ist Hrafns Taktik gegen die Winde, die nachmittags gnadenlos zulegen sollen. Die 40 Seemeilen bis Leixões sind ein zähes Ringen. Ich spüre die Müdigkeit, die der ständige Wind in meine Knochen frißt, diese konstante, lärmende Frustration, die uns nicht erlaubt, bequem auf Kurs zu gehen.
Der nautische Höhepunkt des Tages ist die Einfahrt in den Hafen von Leixões, den Industriehafen Portos. Wir nähern uns der Mündung des Douro, einer Zone, die bekannt für ihren starken Stromabfluß ist. Hrafn hat die Gezeitentabelle studiert, als wäre sie ein heiliger Text. Er fährt Geschwindigkeit heraus und dreht bei. „Wir warten auf Hochwasser“, erklärt er mir. „Gegen den Strom einzulaufen, erzeugt stehende Wellen. Das ist nicht ungemütlich, das ist gefährlich. Wir gehen rein, wenn der Strom dreht.“
Ich beobachte, wie seine Augen die Barrieren der Wellen scannen. Diese bewußte Entscheidung, die emotionale Ungeduld (schnell anzukommen) der kalten, disziplinierten Berechnung unterzuordnen, ist für mich der erste Beweis seiner wahren Meisterschaft. Er demonstriert, daß man die Naturgewalt nicht besiegt, sondern kanalisiert. Wir laufen sicher ein. Der Kontrast zwischen der militärischen Präzision des Manövers und dem kulturellen Genuß, der in Porto wartet, ist überwältigend. Soviel sei verraten, wir waren in einer Portwein-Lodge.

Montag:

Der heutige Schlag nach Figueira da Foz ist unser längster, 65 Seemeilen. Ich muß zum ersten Mal im Dunkeln eine längere Wache allein übernehmen. Die Dunkelheit um uns herum ist absolut; die Yacht ein isolierter Punkt, umgeben nur vom Geräusch des Autopiloten und des schlagenden Segels.
Hier, in der Isolation des Ozeans, verstehe ich Adanas Worte tiefer. Die Existenz ist ein Akt des Alleinseins, selbst inmitten einer Crew. Die Abwesenheit von Ablenkung zwingt mich, in mein Inneres zu blicken, zu der unerschütterlichen Ruhe, die sie sucht. Die ständige Wachsamkeit, die der Ozean von mir fordert, das Scannen der Lichter, das Überprüfen der AIS-Signale, ist paradoxerweise der Weg zur inneren Ruhe.
Während meiner Wache sehe ich Hrafn kurz nach einer Kurskorrektur mit dem GPS kämpfen. Er flucht leise, korrigiert, und murmelt dann: „War mein Fehler.“ Dieser Moment der Menschlichkeit, des Eingeständnisses, das sofort von der Übernahme der Verantwortung abgelöst wird, beruhigt mich mehr als jede makellose Leistung. Die rauhe See schafft einen fähigen Seemann, aber die Ehrlichkeit macht einen guten Kapitän.
Wir erreichen Figueira da Foz, die „Königin der Strände“. Ich blicke auf die Santa Catarina Fortress und das alte Casino. Es sind Symbole der Vergänglichkeit, des Schutzes gegen äußere und innere Gezeiten.

Dienstag

Heute führt uns die Etappe nach Peniche. Der Wind ist unerbittlich, doch ich habe gelernt, ihn als konstante Trainingspartnerin zu akzeptieren.
Hrafn nutzt die Zeit in Peniche, um die Ruderanlage zu warten. Diese stoische Wartungsarbeit ist seine ständige Konfrontation mit der Orca-Bedrohung. Er überprüft die mechanischen Verbindungen, schmaddert Fett und prüft auf Spiel – ein Akt des unablässigen Pragmatismus, der unsere Überlebenswahrscheinlichkeit erhöht. Die Yacht ist unser Fort, und Hrafn ist der Ingenieur, der es verteidigungsbereit hält.
Ich sehe ihn an diesem Tag weniger als unfehlbaren Führer, sondern als einen Mann, der sich der unkalkulierbaren Gefahr bewußt ist und ihr mit der einzigen Waffe begegnet, die er besitzt, der absoluten, praktischen Kompetenz.

Mittwoch

Der letzte lange Schlag nach Süden führt uns an der Praia do Guincho vorbei. Hier wird Wind durch das Bodenprofil lokal verstärkt und peitscht uns ins Gesicht. Das ist der letzte Härtetest, bevor wir in die Mündung des Tejo einbiegen.
Wir laufen die Bucht von Cascais an. Hrafn nutzt den entscheidenden Vorteil unseres Hubkiels. Wir können außerhalb der teuren Marina vor Anker gehen, im flacheren, geschützten Wasser. Der Anblick ist frappierend: Gigantische Mega-Yachten, schwimmende Paläste, liegen in der Marina vertäut. Adana blickt auf die silberne Yacht, deren Anblick uns an unseren Platz verweist, und lächelt. „Die wahre Unabhängigkeit“, sagt sie, „liegt nicht in der Größe des Besitzes. Sie liegt in der Freiheit von der Anhaftung an den Besitz.“
Unsere kleine, robuste Yacht, die sich ins Flache retten kann, ist das Symbol dieser Freiheit. Ich fühle, wie meine eigene Anhaftung an das geregelte, materielle Leben, das ich in Vigo zurückgelassen habe, mit jeder Meile schwindet.

Wir sind jetzt auf dem Weg zur Endhafen in Lisboa.
 
Bom dia, leitores e leitoras

O último capítulo da viagem foi ontem. E com isso encerro o relato. Desculpem o meu português ainda imperfeito e talvez nos encontremos algum dia na rua. Vou ficar aqui mais alguns dias e depois seguirei de autocarro e comboio para Coimbra.

Cumprimentos
Markus


Donnerstag

Es ist der Morgen der Ankunft. Der letzte, kurze Schlag.
Hrafn ist hochkonzentriert, seine Lippen bewegen sich stumm, als er die Strömungstabellen rezitiert. Er navigiert uns in den Tejo. Wir müssen die Einfahrt präzise timen. Der Verkehr ist dicht, die Strömungen sind stark, und ich sehe die Wasserfläche, an der die ausströmende Flußströmung auf den Seegang trifft. Hrafn wartet, hält das Boot geduldig in Position, bis der richtige Moment erreicht ist.
Als er Gas gibt und die Yacht in die Mündung steuert, ist seine Hand am Steuer ruhig. Es ist ein Akt der Meisterschaft, der keiner Geste bedarf.
Wir gleiten in den breiten Fluß. Der ganze Atlantik öffnet sich zur Metropole. Und dann sehe ich ihn, den Torre de Belém. Der Turm, dieser ikonische Wächter aus weißem Stein. Er war das zeremonielle Tor für die großen Entdecker, der Ort, an dem die Flotten in die Welt zogen und zurückkehrten. Als wir unter der Ponte 25 de Abril hindurchfahren, einem massiven, rot leuchtenden Band aus Stahl, das die Golden Gate Bridge zitiert, steht Schwester Adana auf dem Achterdeck. Sie klopft sanft auf das Aluminium des Rumpfes, unser Boot hat uns sicher bis hierher getragen. Sie schließt die Augen, nicht zum Meditieren, sondern um den Moment festzuhalten. „Das wahre Wunder ist nicht die Ankunft“, sagt sie, ihre Stimme kaum lauter als das Flattern des Segels im Wind, „sondern daß wir auf diesem Stück Metall die Ewigkeit berührt haben, jeden Tag aufs Neue.“
Wir laufen im Hafen ein, mit Blick auf Lisboa, den Hubkiel wieder eingefahren, um den flachen Liegeplatz in der Marina zu nutzen. Die Odyssee ist vollendet. Wir drei, der Isländer, die Nonne und ich, hatten unser Ziel erreicht, ganz gemütlich.
Ich spüre den Abschluß meiner eigenen Entdeckungsreise. Ich bin nicht mehr der Mann, der in Vigo abgelegt hat. Die Winde, die Delphine und Hrafns pragmatische Disziplin haben mich gelehrt, daß die Höhen und Tiefen des Lebens nicht vermieden, sondern mit Vorbereitung und Akzeptanz durchsegelt werden müssen.
Ich blicke Hrafn an, der jetzt entspannt das Ruder festhält, und auf Adana, die uns mit einem leichten Lächeln anstrahlt. Wir sind in Lissabon angekommen, der letzte Schlag ist getan. Meine tiefere Reise in meine Zukunft aber beginnt erst jetzt. Das Abenteuer ist vorbei, aber die Erinnerungen an die Delfine, das Metta Sutta und die nordischen Götter bleiben als unsichtbare Fracht in unserem Aluminium-Dschungel-Schiff. Morgen wird Lissabon erkundet, aber heute Abend gehört das Deck uns dreien. Ich atme aus und spüre das leichte Schaukeln, das Boot schläft.
 
Und nochmals vielen herzlichen Dank, dass Du uns mitgenommen und teilhaben hast lassen an dieser ganz besonderen Reise.
Natürlich bin ich auch sehr gespannt, wie es weitergeht.
 
So, am Montag bin ich dann nach Coimbra.. evtl gibt's noch eine Stadterzählung hier. Coimbra gefällt mir ausnehmend gut.

Montag

Der Tag beginnt nicht mit Hektik, sondern mit einer eleganten Geste. Der Bahnhof Lisboa - Oriente mit seinem filigranen Dach aus Glas und Stahl, das ein morgendliches Licht einfängt, ist der perfekte Ausgangspunkt für eine Fahrt, die mehr als nur Transport ist.
Ich betrete den Alfa Pendular. Ein leichtes Rucken, und schon bin ich im stillen Kokon der 1. Klasse, der Conforto-Klasse. Hier herrscht eine Atmosphäre der kultivierten Distanz. Die Sitze sind großzügig, mit weichem Stoff bezogen, und der Abstand zum Nachbarn misst den nötigen Raum für die Seele. Ich nehme Platz am breiten Fenster. An meinem Sitz, wo der Tisch ausgeklappt wird, finde ich die Steckdose – die Verbindung zur modernen Welt, die ich in den nächsten Minuten getrost ignorieren werde.
Pünktlich gleiten wir fast lautlos an. Der Zug neigt sich sanft in die Kurven, eine Demonstration moderner Ingenieurskunst, die die Hektik der alten Schienen vergessen lässt. Zuerst zieht die Stadt in einem letzten, schnellen Film vorbei: die bunten Azulejo-Fassaden, die neuen Gebäude, ein letzter Blick auf die weite Mündung des Tejo, dessen Oberfläche unter dem meist bewölkten Himmel silbrig schimmert.
Die wahre Magie beginnt, als Lissabon endgültig zurückbleibt.
Die Geschwindigkeit des Zuges ist berauschend, aber der Innenraum ist eine Oase der Ruhe. Durch das große Fenster sehe ich, wie das grüne Herz Portugals an mir vorbeirauscht, die Eindrücke sind flüchtig, aber intensiv.
Wir durchqueren die Weite des Ribatejo, wo das Land atmet. Es ist eine Welt aus sanften Hügeln, die in den Spätherbsttönen des Vormittags erstrahlen. Ich beobachte die uralten Korkeichen, deren Stämme in rostbrauner Rinde stehen oder nackt und rot leuchten, wie von einem Sonnenbrand gezeichnete Riesen. Dazwischen erstrecken sich die symmetrischen Linien der Olivenhaine, ein ewiges Muster der portugiesischen Landwirtschaft.
Mir wird ein Kaffee serviert, ein kleiner Moment des Luxus, der die Reise veredelt. Ich nippe daran und lasse das Auge weiter schweifen. Die Landschaft wird nördlicher: Pinienwälder verdichten sich, die Luft, die das Land umhüllt, wirkt in meiner Vorstellung bereits frischer, kühler. Der meist bewölkte Himmel, der auf uns wartet, passt perfekt zu dieser Stimmung – ein sanfter, gedämpfter Filter über der Welt. Es ist kein Tag für grelle Strände, sondern für alte Steine und nachdenkliche Spaziergänge.
Die Reise ist eine Lektion in Entschleunigung inmitten von Geschwindigkeit: während der Zug dahinfliegt, sitze ich in meinem gepolsterten Sessel und beobachte das Schauspiel mit der Gelassenheit eines Kinobesuchers.
Der Rhythmus der Räder wird ruhiger, das leise Zischen der Bremsen kündigt das Ziel an. Wir rollen in den Bahnhof Coimbra-B ein. Die Luft, die mir auf dem Perron entgegenweht, ist kühl und klar, 19 Grad, mild, aber mit der Frische des nahen Flusses.
Der Himmel über Coimbra ist bewölkt, wie es sich für eine ehrwürdige Universitätsstadt gehört. Es ist ein Licht, das Schatten und Tiefgründigkeit zulässt – ideal, um die alten Gassen der Alta und die schweren, historischen Mauern der Universität zu erkunden.
Ich steige aus dem modernen Wagen aus. Die kurze, schnelle Fahrt war die perfekte Initiation: Ich habe die pulsierende Metropole hinter mir gelassen und bin bereit für die Melancholie, den Fado und die gelehrte Stille Coimbras.
 
Und zum Abschluß hier noch meine Erfahrung von Coimbra, als literarische Freiheit auf einen Tag verdichtet. Das ist jetzt der Abschluß. Ab Montag heißt es für mich lernen, lernen und lernen.

Coimbra

Coimbra steht im Licht wie ein Gedanke, der sich langsam formt. Ich komme an, und sofort weiß ich: Diese Stadt wird nicht flach erfahren. Sie fordert Anstrengung, verlangt den Körper, den Atem, den Blick. Alles hier steigt – die Straßen, die Türme, selbst das Licht scheint bergauf zu fließen. Der Weg führt mich hinauf, Stein um Stein, und mit jedem Schritt verliere ich den Fluss, der unten gleitet, leise, silbern, gleichgültig gegen die Geschichte über ihm.Der Aufstieg ist eine Prüfung. In den stillen Gassen zwischen den alten Mauern höre ich das Echo vergangener Jahrhunderte. Ich stelle mir vor, wie Gelehrte, Studenten, Träumer dieselben Steine betreten haben. Vielleicht klingt ihre Müdigkeit in meiner mit. Coimbra atmet nicht gleichmäßig, sie atmet in Steigungen – ein Rhythmus aus Atemnot und Staunen.Oben öffnet sich der Himmel. Ich stehe auf der Hochebene, wo die Universität thront. Weißes Licht, das an den Fassaden bricht, blendet. Alles wirkt klar, geordnet, fast überirdisch. Der Hof ist leer, nur der Wind bewegt sich, fegt über den Platz wie ein zu spät gekommener Gedanke. Ich trete ein in die Biblioteca Joanina. Der Raum verschluckt das Geräusch meiner Schritte. Gold fließt über Holz, Bücher ruhen wie Wesen im Schlaf. Hier riecht die Luft nach Tinte und Zeit. Es ist, als hielte die Welt für einen Moment den Atem an. Als ich wieder hinausgehe, scheint die Sonne sanfter. Der Blick über die Stadt öffnet sich, hinab zur Baixa, wo das Leben tobt. Ich folge dem Gefälle, lasse die Ordnung hinter mir. Die Straße kippt, das Licht wird wärmer, das Gemurmel lauter. Ich rieche Kaffee, Metall, Brot. Coimbra verändert sich – unten ist sie lebendiger, menschlicher, lauter. Zwischen den Stimmen finde ich das Café Santa Cruz. Eine Kirche, die Kaffee schenkt. Ich trete hinein. Das Licht fällt durch hohe Fenster, bricht sich in Farben, die über die Wände tanzen. Die Vergangenheit sitzt hier mit am Tisch – sie mischt sich in das Klirren der Tassen. Ich bestelle einen Crúzio, ein Gebäck, das schmeckt wie eine Erinnerung: süß, warm, leicht traurig. In jedem Bissen liegt die Geduld eines Klosters, die Melancholie eines alten Liedes. Coimbra lässt sich nicht nur sehen, sie lässt sich schmecken. Später, wenn der Abend kommt, verändert der Raum seine Stimme. Das Murmeln der Gäste wird leiser, die Schatten werden tiefer. Ein Mann tritt vor, in Schwarz, den Mantel über die Schulter geworfen. Dann – Stille. Nur der erste Ton der portugiesischen Gitarre, hell und zerbrechlich, schneidet sie auf. Der Gesang folgt, weich und schwer zugleich. Fado de Coimbra, sagt jemand. Ich verstehe das Portugiesisch nicht, aber der Klang übersetzt sich selbst. Er spricht von Abschied, von Studenten, von der Zeit, die niemand halten kann. Der Gesang ist ein Gebet, schwer von Erinnerung, aber frei von Reue. Ich sitze da und denke: Vielleicht ist das Coimbras Geheimnis – dass die Stadt in sich selbst zwei Welten trägt. Oben Strenge, Wissen, Disziplin. Unten Gefühl, Klang, gelebte Freiheit. Beides gehört zusammen wie Tag und Nacht, Verstand und Herz. Draußen liegt der Mondego im Mondlicht. Der Wind weht den letzten Ton des Fado durch die offenen Türen, als wolle er die Stadt trösten. Coimbra schläft nicht. Sie wacht, lauscht, murmelt – ein Gedicht aus Stein, Wasser und Atem. Ich gehe leise durch die Gassen zurück, und für einen Moment spüre ich, dass ich Teil davon geworden bin. Nicht als Besucher, sondern als Linie im Gedicht der Stadt.
 
Dann bedanke ich mich abschließend ein weiteres Mal für die ergreifende poetische Schilderung dieser einzigartigen Fahrt.
Es war mir ein großes Vergnügen, wenigstens in Gedanken bei einigen Momenten dabei sein zu dürfen.
Und freue mich natürlich, auch in Zukunft von Dir zu lesen und zu erfahren, wie das Abenteuer weiter geht.
 
Heute im Raum Coimbra


Dichte Wolken hängen wie graue Schleier über dem alten Herz Portugals, der Himmel öffnet seine Schleusen und erzählt die Geschichten des Wassers. Regentropfen tanzen Walzer auf den Pflastersteinen, jedes Blatt lauscht dem beruhigenden Konzert, als ob die Welt für einen Moment innehält, still und zugleich voller Leben.
Die feuchte Luft schmückt die Stadt mit dem Duft nach Neubeginn, Pfützen werden zu kleinen Ozeanen, in denen die Lichter der Altstadt schimmern wie Erinnerungen. Der Wind flüstert durch die Gassen, und die Gedanken tanzen am freiesten unter dem Regenschirm des Abends.
Regentage sind wie eine sanfte Umarmung der Natur, sie waschen die Vergangenheit von den Blättern und schenken der Erde frisches Grün.
Wer heute durch Coimbra geht, spürt, wie der Regen nicht nur die Straßen, sondern auch die Seele berührt.
Mit jedem Tropfen offenbart sich ein kleines Wunder und ein Versprechen,
dass auch nach dem melancholischen Grau eines Regentags die Sonne wieder lächeln wird und das Leben.
 
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