Ich war echt überrascht, als mir André beim Besuch seiner Quinta da Teixugueira (Vale de Prazeres) erklärte, dass er - anders als ich - keine familiären Bindungen in der Region hat, sondern sich schlicht und einfach in die Beira Baixa verliebt und sich deshalb für ein Weingut am Fuße der Serra da Gardunha entschieden hätte. Eigentlich stammt er ja aus dem Norden von Lissabon, daher auch seine Leidenschaft für die Arinto, er hat aber Lust mit den regionaltypischen Rebsorten (Fonte Cal, Síria) zu arbeiten und sich auch stilistisch von den Lissabonner Low-Intervention-Weinmachern zu unterscheiden ...
Nachdem es letztes Jahr im September mit einem Treffen nicht geklappt hat, weil der Weinmacher just zum zweiten Mal Papa geworden ist, hat es mich sehr gefreut, meinen "Taste Bud-Buddy" nun dort zu treffen "where the magic happens": In der Adega, klar, aber auch in den umliegenden Weinbergen, von denen wir gleich drei besichtigten! Es ging erst zum malerisch gelegenen "Vinha Catrão", gesunde Reben mit viel Biodiversität zwischen den Zeilen und ringsherum ...
Der "alte Weingarten" (Vinha Velha) war einst total zugewuchert, die knorrigen Rebstöcke unterschiedlichster Rebsorten stehen "ohne Erziehung" und ohne erkennbare Ordnung, der perfekte Plot für "Field Blend"-Weine. Und auch im letzten Weingarten, dem "Vinha Touca" wachsen verschiedene Rebsorten nebeneinander. Alle Pflanzen waren trotz minimaler Intervention erkennbar in einem Top-Zustand. Gute "Materia Prima", die Voraussetzung für Spitzenweine!
Andre hat 2006 seinen Abschluss in Agrarwissenschaft, Spezialisierung Weinbau, am Instituto Superior de Agronomia in Lisboa gemacht und danach viele Jahre bei großen, namhaften Weingütern gearbeitet, bis er die Schnauze voll hatte, uniforme "Coca Cola-Weine" zu produzieren, um dann letztendlich vor rund zwei Jahren den Weg hin zu seinen eigenen, authentischen Vinhos zu beschreiten, die sich vor allem durch Frische und Leichtigkeit auszeichnen. Diese Entwicklung vom ersten Jahrgang an miterleben zu können, bereitet mir einen Extra-Kick Freude, über das Vergnügen hinaus, welche die leichten "Primeiras Gotas"-Perolas eh bereits auf meinem Gaumen an Feuerwerk abbrennen ...
Zurück zur Quinta, zu der natürlich (immerhin sind wir in Region Fundão) auch einige Hektar Kirschbäume gehören. Aber wir haben uns natürlich getroffen, um uns durch den Rebennektar durchzuprobieren: Also ab in die kleine Adega ...
Handarbeit! Alles, aber wirklich alles, vom Wachs, der den Korken "versiegelt" bis zum Aufkleben der "Rótulos" (der Etiketten) ...
Training the next generation? Andrés Sonnenschein brachte Leben in die Bude und konnte Aromen bereits bestens benennen: Rotfruchtig = Rebuçados. Auf den Punkt! Es gab zu den Weinen lecker was zu naschen: Regionaltypische Käse- und Schinkensorten. Einfach ein Genuss ...
Das Projekt ist mittlerweile auf gute Beine gestellt, André verkauft seine Weine in mehreren europäischen Ländern an naturweinaffine Händler. Auch in Deutschland, in Hamburg und in München, ist er mit seinen Weinen bereits vertreten.
Wir haben nicht nur die aktuellen Weine aus seinem Portfolio probiert, sondern einige "besondere Flaschen" geöffnet, z.B. einen "Old-School-Style"-Tinto von einer kleinen Parzelle bei Porto Alto aus den Rebsorten Touriga Nacional, Tinta Roriz und Fernão Pires. Beeindruckt hat mich auch der Primeiras Gotas Oxid Chestnut 2021, ein oxidativ ausgebauter Branco aus 100% Moscatel Graúdo (zugekaufte Trauben aus der Region Torres Vedras), neun Monate im neutralen Kastanienfass gelagert, Anklänge einer Jerez-Stilistik mit nussigem Aromenspiel und Zitrusfrüchten. Klasse!
Neben Frucht und Frische auch Komplexität und Vielschichtigkeit (Pinienharz, feuchte Erde, pfeffrig)? Das geht wunderbar beim Field Mix, der aus rund 20 regionalen Rebsorten besteht, die im Weinberg im Mischsatz alle "wild durcheinander wachsen", z.B. Bastardinho, Carrega Burros, Mourisco und Rufete. 20 EUR in Deutschland. Großes Gaumen-Kino!
Was für ein wunderbarer Nachmittag in der Beira Baixa, mit unvergleichlich spannenden Weinen, lecker Wurst und Käse und einem super-sympathischen Winzer, der sich viel Zeit genommen und sich rührend gekümmert hat! Ich habe die Gastfreundschaft Andrés (und seiner Familie!) sehr genossen und freue mich auf die "Beira Interior"-Weine, die da kommen werden.
Muito obrigado, André! Bis zum nächsten mal, vielleicht klappt es ja irgendwann zum "Chocalhos" in Alpedrinha ...