Der folgende Artikel war als Teil meiner
António de Oliveira Salazars brachte während seiner faschistischen, diktatorischen Herrschaft (1926 - 1974) den Portugiesen drei F´s: Fado, Fátima und Fußball.
Fado bedeutet "Schicksal" und ist eine elegant-melancholische Musik. Eine Singstimme, eine spanische Gitarre und die 12-seitige portugiesische Gitarre, mehr braucht es nicht, um in unvergleichlicher Weise von Rätseln und Leidenschaften des Lebens, von Liebe, Eifersucht, Verrat und Tod zu erzählen. Die stilistische Bandbreite reicht von kokett und sentimental bis hin zu düster und tiefgründig. Getragen wird dies alles von diesem rätselhaften und spezifisch portugiesischen Gefühl: Saudade.
Das Wort lässt sich allerdings nicht direkt übersetzen (Langenscheidt nennt z.B.: Sehnsucht, wehmütige Erinnerung). Es umfasst Weltschmerz und Wehmut nach etwas Verlorenem, etwas Unerreichbarem. Saudade empfinden z.B. Seefahrer, die zu lange unterwegs waren, Auswanderer, die sich zur Rückkehr entschließen, Daheimgebliebene, die um die Fortgegangenen trauern. Eine stetige, rückwärtsgewandte Sehnsucht nach den goldenen Zeiten portugiesischen Erfolges.
Fátima ist eine Heilige und die Schutzpatronin Portugals. Nachdem drei Hirten sie in einem Olivenbaum gesehen hatten, nutzte Salazars die Gunst der Stunde, um die tiefgläubigen Portugiesen wieder auf seine rückwärtsgewandte Politik einzuschwören. Seitdem ist Fátima überall. Hast du Kummer, bete zu Fátima; hast du eine Bitte oder bist du krank, opfere etwas an Fátima. Glaube ist ja gut und schön, aber ich denke, zu viel Glaube macht blind. Und genau dies war auch wohl der Plan Salazars´s gewesen. Er ging auf, zunächst zumindest.
Das letzte Opium für das Volk war dann Fußball. Zu diesem Thema brauche ich wohl nicht viel zu erklären. Nur soviel: am letzten Sonntag, also am 9. Mai [2010], gewann Benfica frühzeitig die Fußballmeisterschaft. Als der Jubel ausbrach, saß ich gerade mit Soumja, einem Inder und neuem Postdoc in unserer kleinen Gruppe, vor einem Restaurant und aß gegrillten Tintenfisch. Plötzliche Hupkonzerte erfüllten Lissabon. Halbnackte Leiber, Benfica-Schals und -Flaggen schwenkend, hingen grölend aus offenen Autofenstern. Aus allen Himmelsrichtungen, aus allen Nebenstraßen schienen rotgeschmückte Autos zu schießen, der Lärm war atemberaubend. Aber die Freude der Menschen war ansteckend und auch ich musste bald grinsen, winkte sogar dann und wann einem vorbeibrausenden Benfica-Fan-Geschoss fröhlich hinterher.
Ich bin zwar noch kein Benfica-Fan, meine Lieblingsvereine sind Bremen, Arsenal und Liverpool, aber an diesem Abend wurde ich fast einer, angesichts der friedlich feiernden Massen. Tja, und heute, dem 11. Mai, war der Papst, oder Papa Bento, wie ihn die Portugiesen liebevoll nennen, in Lissabon. Millionen wurden trotz Finanzkrise ausgegeben, um den Praça de Comércio erstrahlen zu lassen (vor zwei Tagen habe ich ihn erstmals ohne Bauzäune gesehen, und es ist wirklich ein herrlicher Platz am Tejoufer fast gegenüber des Christo Rei auf der anderen Seite) und um die Route, die er mit seinem Papa-Mobil zurücklegen würde, auf das Feinste herzurichten. Ganz wie in einem sozialistischem Staat, wenn das Staatsoberhaupt zu Besuch in eine Stadt kommt.
Die Metro fuhr nicht an diesem Tag (wegen Bombengefahr!), auch die Fähren oder Busse standen still. Ich hatte also einen eher unfreiwillig freien Tag am Strand von Costa de Caparica. Papa Bento, ich danke dir, es war sogar sonnig und warm. Einfach herrlich!
Als ich dann abends in meinem Stammrestaurant "O Pipo" die Abendnachrichten verfolgte und all die tanzenden und ausgelassenen Menschen in "Papa Bento"-T-Shirts sah, wurde mir dann doch etwas mulmig. Da stand der Mann, der der Kirche vorstand, die in letzter Zeit immer wieder in Skandale wegen Kindesmissbrauchs verwickelt war. Und alle jubelten ihm ausgelassen zu. Wie den Spielern von Benfica, als sie noch am Morgen desselben Tages den Pokal auf dem Rathausbalkon dem Volke präsentierten.
Vielleicht war António de Oliveira Salazars doch nicht so ein dummer Mann, dachte ich, als ich mir noch ein Stück Zackenbarsch in den Mund schob.
Quelle:
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geplant, wurde allerdings niemals gedruckt, da er damals als zu provokant angesehen wurde. Der Jogi-Auftritt im "Aktuellen Sportstudio" am 27/10/2012 erinnerte mich wieder daran. Würden all die Leute den Deutschen Bundestag ebenso kritisch sehen und beurteilen wie die Deutsche Fußballnationalmannschaft, wäre vielleicht vieles anders.António de Oliveira Salazars brachte während seiner faschistischen, diktatorischen Herrschaft (1926 - 1974) den Portugiesen drei F´s: Fado, Fátima und Fußball.
Fado bedeutet "Schicksal" und ist eine elegant-melancholische Musik. Eine Singstimme, eine spanische Gitarre und die 12-seitige portugiesische Gitarre, mehr braucht es nicht, um in unvergleichlicher Weise von Rätseln und Leidenschaften des Lebens, von Liebe, Eifersucht, Verrat und Tod zu erzählen. Die stilistische Bandbreite reicht von kokett und sentimental bis hin zu düster und tiefgründig. Getragen wird dies alles von diesem rätselhaften und spezifisch portugiesischen Gefühl: Saudade.
Das Wort lässt sich allerdings nicht direkt übersetzen (Langenscheidt nennt z.B.: Sehnsucht, wehmütige Erinnerung). Es umfasst Weltschmerz und Wehmut nach etwas Verlorenem, etwas Unerreichbarem. Saudade empfinden z.B. Seefahrer, die zu lange unterwegs waren, Auswanderer, die sich zur Rückkehr entschließen, Daheimgebliebene, die um die Fortgegangenen trauern. Eine stetige, rückwärtsgewandte Sehnsucht nach den goldenen Zeiten portugiesischen Erfolges.
Fátima ist eine Heilige und die Schutzpatronin Portugals. Nachdem drei Hirten sie in einem Olivenbaum gesehen hatten, nutzte Salazars die Gunst der Stunde, um die tiefgläubigen Portugiesen wieder auf seine rückwärtsgewandte Politik einzuschwören. Seitdem ist Fátima überall. Hast du Kummer, bete zu Fátima; hast du eine Bitte oder bist du krank, opfere etwas an Fátima. Glaube ist ja gut und schön, aber ich denke, zu viel Glaube macht blind. Und genau dies war auch wohl der Plan Salazars´s gewesen. Er ging auf, zunächst zumindest.
Das letzte Opium für das Volk war dann Fußball. Zu diesem Thema brauche ich wohl nicht viel zu erklären. Nur soviel: am letzten Sonntag, also am 9. Mai [2010], gewann Benfica frühzeitig die Fußballmeisterschaft. Als der Jubel ausbrach, saß ich gerade mit Soumja, einem Inder und neuem Postdoc in unserer kleinen Gruppe, vor einem Restaurant und aß gegrillten Tintenfisch. Plötzliche Hupkonzerte erfüllten Lissabon. Halbnackte Leiber, Benfica-Schals und -Flaggen schwenkend, hingen grölend aus offenen Autofenstern. Aus allen Himmelsrichtungen, aus allen Nebenstraßen schienen rotgeschmückte Autos zu schießen, der Lärm war atemberaubend. Aber die Freude der Menschen war ansteckend und auch ich musste bald grinsen, winkte sogar dann und wann einem vorbeibrausenden Benfica-Fan-Geschoss fröhlich hinterher.
Ich bin zwar noch kein Benfica-Fan, meine Lieblingsvereine sind Bremen, Arsenal und Liverpool, aber an diesem Abend wurde ich fast einer, angesichts der friedlich feiernden Massen. Tja, und heute, dem 11. Mai, war der Papst, oder Papa Bento, wie ihn die Portugiesen liebevoll nennen, in Lissabon. Millionen wurden trotz Finanzkrise ausgegeben, um den Praça de Comércio erstrahlen zu lassen (vor zwei Tagen habe ich ihn erstmals ohne Bauzäune gesehen, und es ist wirklich ein herrlicher Platz am Tejoufer fast gegenüber des Christo Rei auf der anderen Seite) und um die Route, die er mit seinem Papa-Mobil zurücklegen würde, auf das Feinste herzurichten. Ganz wie in einem sozialistischem Staat, wenn das Staatsoberhaupt zu Besuch in eine Stadt kommt.
Die Metro fuhr nicht an diesem Tag (wegen Bombengefahr!), auch die Fähren oder Busse standen still. Ich hatte also einen eher unfreiwillig freien Tag am Strand von Costa de Caparica. Papa Bento, ich danke dir, es war sogar sonnig und warm. Einfach herrlich!
Als ich dann abends in meinem Stammrestaurant "O Pipo" die Abendnachrichten verfolgte und all die tanzenden und ausgelassenen Menschen in "Papa Bento"-T-Shirts sah, wurde mir dann doch etwas mulmig. Da stand der Mann, der der Kirche vorstand, die in letzter Zeit immer wieder in Skandale wegen Kindesmissbrauchs verwickelt war. Und alle jubelten ihm ausgelassen zu. Wie den Spielern von Benfica, als sie noch am Morgen desselben Tages den Pokal auf dem Rathausbalkon dem Volke präsentierten.
Vielleicht war António de Oliveira Salazars doch nicht so ein dummer Mann, dachte ich, als ich mir noch ein Stück Zackenbarsch in den Mund schob.
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