Silberfolie im 5-Sterne-Hotel
Ein wundervolles Wochenende in einem bezaubernden Märchenschloß liegt vor uns, als wir die A1 nach Norden unter uns abrollen lassen. 12,85 Euros signalisiert die Via Verde Anzeigetafel, als wir die Autobahn verlassen und uns gen Osten wenden. Luso ist unser Ziel, denn dort oben im berühmten Forst mit 700 verschiedenen Baumarten hat man im 19. Jahrhundert ein Kleinod für den Monarchen errichtet. Und weil jener nur drei Jahre nach Fertigstellung darin lustwandeln konnte, weil man ihn nicht mehr haben wollte, den Monarchen, verlustieren wir uns für die nächsten zwei Tage darin. So die Planung.
Das Tor zur Einfahrt steht weit offen, der Schlagbaum ist geöffnet, das ehemalige Torwächterhaus signalisiert leichten Verfall. Auf dem Kopfsteinpflaster rumpelnd nehmen wir die leichten Serpentinen hinauf zum Schloß. Wir umrunden das im Zuckerbäckerstil überladene Gebäude samt Gartenanlage und Teich, folgen dezenten Hinweisschildern, können aber erst in Runde drei den Hoteleingang entdecken.
Das Hotel Palace do Buçaco ist auf den ersten Blick auch innen ein mit antiken, dunkelbraunen Möbelstücken überladenes Gebäude, das kaum Raum zum Atmen läßt, obwohl alle Räumlichkeiten nahezu doppelte Raumhöhe haben. Vieles hat man wohl erhalten können, der Ritterrüstung auf dem Treppenabsatz sogar Leuchtdioden in die Augenhöhlen eingesetzt, die Lichtschalter sehr kindersicher in 1,80m Höhe angebracht. Eigenen Wein und eigenen Honig zusammen mit Ansichtskarten und Bildbänden stehen dezent bereit für den Touristen.
Der hoteleigene Schlüsselanhänger zieht die Hosentasche energisch hinunter, als wir auf knarrenden Holzdielen und über gefährlich abgetretene Teppichläufer durch die Gänge schreiten. Wir sind ganz besondere Gäste, denn die Teppiche sind rot. Oder waren es zumindest irgendwann einmal. Das Zimmer ist großzügig und überladen. Die Farbe fällt von Wänden und Fensterrahmen, die antiken Schubladen klemmen in antiken Möbelstücken, uralte Heizgeräte werden kaschiert durch billige Baumarktheizlüfter. Das Obst ist frisch und die Wasserflasche trägt das Luso-Etikett. Der Teppichboden ausgefranst und voller Flecken. Sternenabzug.
Das Bad ist großzügig, die Tür verzogen und läßt sich nicht schliessen. Die Armaturen sind antik und funktionieren deshalb nur bedingt. Die Abflüsse sind verstopft. Das warme Wasser kommt sofort. Die in Hotels dieser Preisklasse üblichen Toilettenartikel fehlen gänzlich, zwei winzige Leuchtstoffröhren flankieren den Spiegel und tauchen das Bad in gespenstisches Licht. Keine Ablage für Kamm oder dritte Zähne. Sternenabzug.
Kühle Nachtruhe bei geöffnetem Fenster ist für mich ein normaler Zustand, für meine Liebste aus Lissabon aber eine völlig neue Erfahrung. Lediglich zwei Hunde unterhalten sich über größere Entfernung über ein wohl interessantes Thema. Wir schlafen tief und verpassen fast das Frühstück.
Das Palace do Buçaco ist in den gängigen Hotelbeschreibung mit 5 Sternen als Luxushotel der besonderen Art gepriesen. Weshalb wird dann eine Woche Halbpension für €420 verramscht? Die Familienkutschen vor dem Hotel und kreischende Kinder während des Frühstücks lassen erahnen, daß hier etwas nicht zusammen paßt.
Der Kaffee ist eine Zumutung, der Orangensaft entspringt einer chemischen Quelle, das Rührei eine Pampe, kaum Brotauswahl, ein wenig Käse, Marmelade, Obst aus der Dose und eine Sorte Cornflakes mit warmer Milch. Sternenabzug. Und noch ein Sternenabzug.
Das miese Frühstück ist plötzlich nicht mehr ganz so mies, wenn man es auf der überdachten Terrasse einnehmen kann. Mit Blick auf die Gartenanlage und die Wälder. Und wenn die verzogenen Kinder nicht wären, wäre es eine himmlische Ruhe.
Die Ruhe wird aber ziemlich schnell unterbrochen durch den Einfall von Tagestouristen, die ihre Autos und Busse auf jedem Fleckchen Erde plazieren, lauthals und heuschreckengleich alles erstürmen, erklettern, abreissen, fotografieren. Leere Flaschen, benutzte Taschentücher, Packpapier und leere Tüten sind deren Hinterlassenschaft. Dann ist wieder Ruhe eingekehrt. Und ich steige ein in die umgebende Waldlandschaft und finde eine Zeder, die nachweislich seit 1644 (?) dort steht und auch Napoleons und der Touristen Angriffe überdauerte.
Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich der Lüster im Zimmer als geniale Fälschung, denn hinter den Glasschalen hat man in Ermangelung von antikem Silber tatsächlich Silberfolie aus der Küche drapiert. Und der Mini-TV, den man ja eigentlich überhaupt nicht benutzt, läßt kümmerliche drei Kanäle flimmern. Sternenabzug.
Die Turmbesichtigung rundet das erschreckende Bild ab, das wir über diesen Palast gesammelt haben. Die Aussichtsplattform ist zugepflastert mit Satellitenschüsseln. Mit Sicherheit aber nicht für den kleinen Fernseher unten im Zimmer. Rostige Drähte halten zerfallene Bauelemente zusammen, eine Wasserrohrkonstruktion ersetzt auf abenteuerliche Weise eine Blitzschutzanlage und die verrostete Metallkugel auf der Turmspitze wird durch eine ebenfalls verrostete Metallleiter hilfreich gestützt. Beim Abstieg entdecken wir zwei völlig verwahrloste Stockwerke.
Die Stadt Luso schlummert vor sich hin, das Therapiebad ist geschlossen, die Restaurants bezeichnen gefroren Fisch als tagesfrisch und die Stadt hat eine nagelneue Straße eröffnet, in der sich Souvenirhütten aus dem Baukasten aneinanderreihen. Lediglich die öffentliche Wasserentnahmestelle ist umlagert und ist lustig anzusehen, wenn Männlein wie Weiblein mit Unmengen Wasserkanistern die Wasserspeier umlagern und sich mit frischem Naß versorgen. Meine Liebste leert tatsächlich eine mitgebrachte Wasserflasche, um sie mit dem speziellen Wasser wieder zu füllen.
Ein kleines Restaurant mit dem Namen Astoria sei erwähnt, dessen Steak mich über so manche Enttäuschung hinweg tröstet. Leider führt man auch dort kein Corona Bier im Angebot. Und so wenden wir uns und statten Coimbra und der Universität einen Besuch ab, um uns danach wieder gen Süden zu bewegen.
OScAR
Ein wundervolles Wochenende in einem bezaubernden Märchenschloß liegt vor uns, als wir die A1 nach Norden unter uns abrollen lassen. 12,85 Euros signalisiert die Via Verde Anzeigetafel, als wir die Autobahn verlassen und uns gen Osten wenden. Luso ist unser Ziel, denn dort oben im berühmten Forst mit 700 verschiedenen Baumarten hat man im 19. Jahrhundert ein Kleinod für den Monarchen errichtet. Und weil jener nur drei Jahre nach Fertigstellung darin lustwandeln konnte, weil man ihn nicht mehr haben wollte, den Monarchen, verlustieren wir uns für die nächsten zwei Tage darin. So die Planung.
Das Tor zur Einfahrt steht weit offen, der Schlagbaum ist geöffnet, das ehemalige Torwächterhaus signalisiert leichten Verfall. Auf dem Kopfsteinpflaster rumpelnd nehmen wir die leichten Serpentinen hinauf zum Schloß. Wir umrunden das im Zuckerbäckerstil überladene Gebäude samt Gartenanlage und Teich, folgen dezenten Hinweisschildern, können aber erst in Runde drei den Hoteleingang entdecken.
Das Hotel Palace do Buçaco ist auf den ersten Blick auch innen ein mit antiken, dunkelbraunen Möbelstücken überladenes Gebäude, das kaum Raum zum Atmen läßt, obwohl alle Räumlichkeiten nahezu doppelte Raumhöhe haben. Vieles hat man wohl erhalten können, der Ritterrüstung auf dem Treppenabsatz sogar Leuchtdioden in die Augenhöhlen eingesetzt, die Lichtschalter sehr kindersicher in 1,80m Höhe angebracht. Eigenen Wein und eigenen Honig zusammen mit Ansichtskarten und Bildbänden stehen dezent bereit für den Touristen.
Der hoteleigene Schlüsselanhänger zieht die Hosentasche energisch hinunter, als wir auf knarrenden Holzdielen und über gefährlich abgetretene Teppichläufer durch die Gänge schreiten. Wir sind ganz besondere Gäste, denn die Teppiche sind rot. Oder waren es zumindest irgendwann einmal. Das Zimmer ist großzügig und überladen. Die Farbe fällt von Wänden und Fensterrahmen, die antiken Schubladen klemmen in antiken Möbelstücken, uralte Heizgeräte werden kaschiert durch billige Baumarktheizlüfter. Das Obst ist frisch und die Wasserflasche trägt das Luso-Etikett. Der Teppichboden ausgefranst und voller Flecken. Sternenabzug.
Das Bad ist großzügig, die Tür verzogen und läßt sich nicht schliessen. Die Armaturen sind antik und funktionieren deshalb nur bedingt. Die Abflüsse sind verstopft. Das warme Wasser kommt sofort. Die in Hotels dieser Preisklasse üblichen Toilettenartikel fehlen gänzlich, zwei winzige Leuchtstoffröhren flankieren den Spiegel und tauchen das Bad in gespenstisches Licht. Keine Ablage für Kamm oder dritte Zähne. Sternenabzug.
Kühle Nachtruhe bei geöffnetem Fenster ist für mich ein normaler Zustand, für meine Liebste aus Lissabon aber eine völlig neue Erfahrung. Lediglich zwei Hunde unterhalten sich über größere Entfernung über ein wohl interessantes Thema. Wir schlafen tief und verpassen fast das Frühstück.
Das Palace do Buçaco ist in den gängigen Hotelbeschreibung mit 5 Sternen als Luxushotel der besonderen Art gepriesen. Weshalb wird dann eine Woche Halbpension für €420 verramscht? Die Familienkutschen vor dem Hotel und kreischende Kinder während des Frühstücks lassen erahnen, daß hier etwas nicht zusammen paßt.
Der Kaffee ist eine Zumutung, der Orangensaft entspringt einer chemischen Quelle, das Rührei eine Pampe, kaum Brotauswahl, ein wenig Käse, Marmelade, Obst aus der Dose und eine Sorte Cornflakes mit warmer Milch. Sternenabzug. Und noch ein Sternenabzug.
Das miese Frühstück ist plötzlich nicht mehr ganz so mies, wenn man es auf der überdachten Terrasse einnehmen kann. Mit Blick auf die Gartenanlage und die Wälder. Und wenn die verzogenen Kinder nicht wären, wäre es eine himmlische Ruhe.
Die Ruhe wird aber ziemlich schnell unterbrochen durch den Einfall von Tagestouristen, die ihre Autos und Busse auf jedem Fleckchen Erde plazieren, lauthals und heuschreckengleich alles erstürmen, erklettern, abreissen, fotografieren. Leere Flaschen, benutzte Taschentücher, Packpapier und leere Tüten sind deren Hinterlassenschaft. Dann ist wieder Ruhe eingekehrt. Und ich steige ein in die umgebende Waldlandschaft und finde eine Zeder, die nachweislich seit 1644 (?) dort steht und auch Napoleons und der Touristen Angriffe überdauerte.
Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich der Lüster im Zimmer als geniale Fälschung, denn hinter den Glasschalen hat man in Ermangelung von antikem Silber tatsächlich Silberfolie aus der Küche drapiert. Und der Mini-TV, den man ja eigentlich überhaupt nicht benutzt, läßt kümmerliche drei Kanäle flimmern. Sternenabzug.
Die Turmbesichtigung rundet das erschreckende Bild ab, das wir über diesen Palast gesammelt haben. Die Aussichtsplattform ist zugepflastert mit Satellitenschüsseln. Mit Sicherheit aber nicht für den kleinen Fernseher unten im Zimmer. Rostige Drähte halten zerfallene Bauelemente zusammen, eine Wasserrohrkonstruktion ersetzt auf abenteuerliche Weise eine Blitzschutzanlage und die verrostete Metallkugel auf der Turmspitze wird durch eine ebenfalls verrostete Metallleiter hilfreich gestützt. Beim Abstieg entdecken wir zwei völlig verwahrloste Stockwerke.
Die Stadt Luso schlummert vor sich hin, das Therapiebad ist geschlossen, die Restaurants bezeichnen gefroren Fisch als tagesfrisch und die Stadt hat eine nagelneue Straße eröffnet, in der sich Souvenirhütten aus dem Baukasten aneinanderreihen. Lediglich die öffentliche Wasserentnahmestelle ist umlagert und ist lustig anzusehen, wenn Männlein wie Weiblein mit Unmengen Wasserkanistern die Wasserspeier umlagern und sich mit frischem Naß versorgen. Meine Liebste leert tatsächlich eine mitgebrachte Wasserflasche, um sie mit dem speziellen Wasser wieder zu füllen.
Ein kleines Restaurant mit dem Namen Astoria sei erwähnt, dessen Steak mich über so manche Enttäuschung hinweg tröstet. Leider führt man auch dort kein Corona Bier im Angebot. Und so wenden wir uns und statten Coimbra und der Universität einen Besuch ab, um uns danach wieder gen Süden zu bewegen.
OScAR