Der Artikel - ein Interview mit João Castel-Branco Goulão, einer der Begründer der liberalen Drogenpolitik, heute Vorsitzender des Instituts für Suchtverhalten und -abhängigkeiten im portugiesischen Gesundheitsministerium - ist meist hinter einer Bezahlschranke →
Sollten wir auch harte Drogen entkriminalisieren?: „In Portugal ist keine der düsteren Prophezeiungen eingetreten“
Ein paar Brocken daraus ...
Erfolg:
»1999 lag die Zahl der Drogentoten in Portugal noch bei 369, 2016 nur noch bei 30. .... Während der 1990er Jahre entwickelte sich die Situation so dramatisch, dass ein Prozent der portugiesischen Bevölkerung über alle Gesellschaftsschichten hinweg heroinabhängig war. Rund die Hälfte aller HIV-Diagnosen war auf den intravenösen Drogenkonsum zurückzuführen. Wir hatten es damals mit einer nationalen Gesundheitskrise zu tun.«
Entkriminalisierung vs. Legalisierung
»Es ist mir wichtig anzumerken, dass Drogen in Portugal zwar entkriminalisiert wurden, aber damit keineswegs legal sind. Sie sind immer noch verboten. ... Ein Beispiel: Sagen wir, eine Person konsumiert eine illegale Droge auf der Straße und wird von der Polizei aufgegriffen. Trägt diese Person mehr als die zugelassenen zehn Tagesdosen – beispielsweise ein Gramm Heroin, zwei Gramm Kokain oder 25 Gramm Cannabisblüten – bei sich, werden die Drogen konfisziert und die Person unter dem Verdacht, mit Rauschgift zu handeln, verhaftet. Trägt sie aber weniger als die zugelassene Menge bei sich, wird die Person nicht verhaftet, sondern aufgefordert, sich binnen 72 Stunden bei einer der Kommissionen [Stichwort ist: Dissuasionskommissionen, K.P.] vorzustellen, die Wege aus der Sucht aufzeigen. Kommt sie dieser Aufforderung nicht nach, folgt eine nachträgliche Inhaftierung.«
Heute:
»Problematisch ist vor allem auch, dass der Gebrauch von Rauschmitteln heute in der Gesellschaft Portugals wieder viel sichtbarer geworden ist. Angesichts dieser Entwicklung ist die Sorge absolut berechtigt. Die Kritik, dass die Drogenpolitik und insbesondere die Dekriminalisierung dafür verantwortlich sind, ist es aber nicht. Denn das heutige Modell hat nicht mehr viel mit dem ursprünglichen Vorschlag gemein. ... Auch für diese Antwort müssen wir einen Blick in die Geschichte werfen. 2008 war Portugal infolge der Weltfinanzkrise so tief in finanzielle Schwierigkeiten gerutscht, dass es sich harten Auflagen der sogenannten Troika aus Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Kommission unterstellen musste.
Unter diesen Sparmaßnahmen hat auch das Modell der portugiesischen Drogenpolitik sehr gelitten: Das Budget wurde nahezu geviertelt und das nationale Institut für Drogen und Drogenabhängigkeit – das Hauptorgan des integrierten Systems – verlor seine Autonomie, wurde in mehrere Teile zerlegt und großenteils mit dem allgemeinen Gesundheitssystem (SNS) zusammengeschlossen. Von dem alten Institut blieb nur die Generaldirektion für Intervention bei Suchtverhalten und Abhängigkeiten (SICAD) übrig. Die Zahl der Mitarbeiter sank von 1600 auf nur noch 80.
Wir haben heute nicht mehr die gleichen Kapazitäten wie vor 20 Jahren. Früher gab es keine Wartelisten, mittlerweile dauert es sechs Monate, bevor man die erste Drogenkonsultation in einer Behandlungsklinik wahrnehmen kann.«