[Vorbemerkung: Einige dieser Bilder sind bereits in diesem Forum vorhanden. Manche sind anders bearbeitet. Die hier gezeigten Versionen entsprechen meiner persönlichen Wahrnehmung]
November 2008.
[...]
Schaltet man sie Abendnachrichten ein, sieht man seit drei Monaten quasi wöchentlich Menschen rund um den Globus mit angespannten Kinnmuskeln und Kartons aus spiegelverglasten Finanzinstituten herauskommen und vor Reporten flüchten. Es ist Weltfinanzkrise.
[...]
Als ich eineinhalb Jahr zuvor mein Studium als Wirtschaftsingenieur abschloss und einen Job bei einem nicht sonderlich gut dastehenden hunsrücker* Mittelständler annahm, dachte ich: Ach, zwei, drei Jahre (bis meine Freundin ihr Studium abgeschlossen hat) und dann wechsele ich eh. Krise war kein Ding. Der Immobilienmarkt in den Staaten boomte, das Geld für Deutsche Mittelständler aus den USA und China schien unendlich zu fließen. Die Inflation in Deutschland lag über 2%, gut für jemanden, der gerade ein Ingenieurgehalt verhandelt. Industrial Engineering. Konstrukteure beraten, Betriebsmittel beschaffen, Serieneinführung. Spannend, all die Verantwortung.
[...]
Der Chef ruft in's Büro. "Dein Projekt wird verlagert. Serienfertigung in Portugal. Wie wär's, wenn wir da schon die Prototypen bauen - eine Projektphase weniger?" Klar. Je früher die Leute da lernen und wir Fehler abstellen, desto besser. Ich rufe morgen da an und wir planen den Bau der Prototypen da.
[...]
Portugal, das war nicht auf meinem Zettel. Mein Eltern sind mit mir und meiner Schwester in einem umgebauten Krankenwagen quer durch Europa gefahren. Belgien, Dänemark, Niederlande, Frankreich, Jugoslawien, Italien, Österreich, Spanien, Schweiz...
Aber Portugal? Keine Ahnung, wie's da ist. Welche Sprache spricht man da? Was isst man da? Wie sieht die Fabrik aus? Sprechen die Leute da Deutsch oder Englisch? Fahren wir da mit dem Auto? Gibt es Autobahnen? Was macht man da nach Feierabend? Junge, junge. 1.000 Fragen und noch viel mehr.
[...]
"Buch einfach ein Auto und Flüge. Füll das Formular für Besucher aus und schick das an Cristiana*. Ich fliege einfach mit und zeig Dir alles." Mein Konstrukteur Ralf* hatte schon einige Erfahrung mit den Kollegen in Portugal und natürlich war das eine großartige Hilfe für mich.
[...]
Der A319 schlingert im Wind auf die Landebahn in Maia, Aeroporto Sá Carneiro. Tür auf, kühler Wind, Wolken und Brandgeruch in der Luft. Man konnte während des Landung schon viele kleine Rauchfahnen sehen. Das Gepäck wird in der riesigen, quasi leeren Halle von einem komischen kleinen LKW entgegen geworfen. Ein verlotterter Sprinter bring uns zu AVIS. Der Fahrer fährt, als sein einer von uns schwerverletzt und müsse sofort in die Notaufnahme. So geht das also hier. Zitrone C1 abgeholt. Ist ja Wirtschaftskrise und Kurzarbeit, ja das billigste buchen, damit es keinen Ärger gibt. Es wird dunkel, als wir auf der völlig leeren A28 Richtung Póvoa de Varzim gondeln. Nach einem schnellen Einkauf im ebenso leeren Jumbo dann in's Novotel. Wo sind die Leute?
Koffer auf's Zimmer, Dusche. "Komm, wir gehen was essen" sagt Ralf "Vasco da Gama, der hat frischen Fisch. Dat is nur en Kilometer die Promenade runter."
Salziger Nebel zieht vom Meer hoch, die Brille beschlägt, bald kann man nichts mehr sehen. Wir kehren in ein winziges Restaurant ein, vielleicht 40qm. Der Kellner und der Koch streiten sich an einer Tour. In einer Glastheke liegen ein Seebarsch, Doraden, irgendein Plattfisch. Der Kellner stellt ungefragt Kleinkram auf den Tisch. Kroketten und Oliven und Brötchen. Entradas, ob Du willst, oder nicht. Es schmeckt. Wir essen Bacalhau mit irgendwas. Schwimmt in Olivenöl, schmeckt. Monte Velho Tinto 2005 zum Spottpreis. Schmeckt. Der Weg nach Hause ist auch salzig und nasskalt. Macht nix, der Wein hält uns warm.
Gar nicht so übel, wie Ralf immer witzelt, dieses Portugal. Ich lasse die Balkontür auf. Meerblick. Wat dat rauscht. Atlantik halt.
[to be continued]
*Name geändert
November 2008.
[...]
Schaltet man sie Abendnachrichten ein, sieht man seit drei Monaten quasi wöchentlich Menschen rund um den Globus mit angespannten Kinnmuskeln und Kartons aus spiegelverglasten Finanzinstituten herauskommen und vor Reporten flüchten. Es ist Weltfinanzkrise.
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Als ich eineinhalb Jahr zuvor mein Studium als Wirtschaftsingenieur abschloss und einen Job bei einem nicht sonderlich gut dastehenden hunsrücker* Mittelständler annahm, dachte ich: Ach, zwei, drei Jahre (bis meine Freundin ihr Studium abgeschlossen hat) und dann wechsele ich eh. Krise war kein Ding. Der Immobilienmarkt in den Staaten boomte, das Geld für Deutsche Mittelständler aus den USA und China schien unendlich zu fließen. Die Inflation in Deutschland lag über 2%, gut für jemanden, der gerade ein Ingenieurgehalt verhandelt. Industrial Engineering. Konstrukteure beraten, Betriebsmittel beschaffen, Serieneinführung. Spannend, all die Verantwortung.
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Der Chef ruft in's Büro. "Dein Projekt wird verlagert. Serienfertigung in Portugal. Wie wär's, wenn wir da schon die Prototypen bauen - eine Projektphase weniger?" Klar. Je früher die Leute da lernen und wir Fehler abstellen, desto besser. Ich rufe morgen da an und wir planen den Bau der Prototypen da.
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Portugal, das war nicht auf meinem Zettel. Mein Eltern sind mit mir und meiner Schwester in einem umgebauten Krankenwagen quer durch Europa gefahren. Belgien, Dänemark, Niederlande, Frankreich, Jugoslawien, Italien, Österreich, Spanien, Schweiz...
Aber Portugal? Keine Ahnung, wie's da ist. Welche Sprache spricht man da? Was isst man da? Wie sieht die Fabrik aus? Sprechen die Leute da Deutsch oder Englisch? Fahren wir da mit dem Auto? Gibt es Autobahnen? Was macht man da nach Feierabend? Junge, junge. 1.000 Fragen und noch viel mehr.
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"Buch einfach ein Auto und Flüge. Füll das Formular für Besucher aus und schick das an Cristiana*. Ich fliege einfach mit und zeig Dir alles." Mein Konstrukteur Ralf* hatte schon einige Erfahrung mit den Kollegen in Portugal und natürlich war das eine großartige Hilfe für mich.
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Der A319 schlingert im Wind auf die Landebahn in Maia, Aeroporto Sá Carneiro. Tür auf, kühler Wind, Wolken und Brandgeruch in der Luft. Man konnte während des Landung schon viele kleine Rauchfahnen sehen. Das Gepäck wird in der riesigen, quasi leeren Halle von einem komischen kleinen LKW entgegen geworfen. Ein verlotterter Sprinter bring uns zu AVIS. Der Fahrer fährt, als sein einer von uns schwerverletzt und müsse sofort in die Notaufnahme. So geht das also hier. Zitrone C1 abgeholt. Ist ja Wirtschaftskrise und Kurzarbeit, ja das billigste buchen, damit es keinen Ärger gibt. Es wird dunkel, als wir auf der völlig leeren A28 Richtung Póvoa de Varzim gondeln. Nach einem schnellen Einkauf im ebenso leeren Jumbo dann in's Novotel. Wo sind die Leute?
Koffer auf's Zimmer, Dusche. "Komm, wir gehen was essen" sagt Ralf "Vasco da Gama, der hat frischen Fisch. Dat is nur en Kilometer die Promenade runter."
Salziger Nebel zieht vom Meer hoch, die Brille beschlägt, bald kann man nichts mehr sehen. Wir kehren in ein winziges Restaurant ein, vielleicht 40qm. Der Kellner und der Koch streiten sich an einer Tour. In einer Glastheke liegen ein Seebarsch, Doraden, irgendein Plattfisch. Der Kellner stellt ungefragt Kleinkram auf den Tisch. Kroketten und Oliven und Brötchen. Entradas, ob Du willst, oder nicht. Es schmeckt. Wir essen Bacalhau mit irgendwas. Schwimmt in Olivenöl, schmeckt. Monte Velho Tinto 2005 zum Spottpreis. Schmeckt. Der Weg nach Hause ist auch salzig und nasskalt. Macht nix, der Wein hält uns warm.
Gar nicht so übel, wie Ralf immer witzelt, dieses Portugal. Ich lasse die Balkontür auf. Meerblick. Wat dat rauscht. Atlantik halt.
[to be continued]
*Name geändert