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Portugals sozialistisches Utopia (Solmaz Khorsand, Republik.ch)

K.P.

Lusitano
Teilnehmer
Stammgast
Gerade gelesen: ein recht informativer, auch etwas ins Detail gehender Artikel über die aktuelle poiltische Situation im Land, über Lage und Zukunft der linken Parteien →
(Hoffe der Text bleibt weiter für alle zugänglich.)
 
Nenne die Partei(en) wie du willst: Sozis, Konservative, Linke, Kommunisten...
Fakt ist, solange die richtigen Entscheidungen in der Sache getroffen werden und dem Volk damit geholfen wird, ist es vollkommen egal.

Dass es keine Blaupausen für andere Staaten sein muss oder kann, dürfte auch klar sein, ist doch die Kultur, die Wirtschaft und die grundlegende Einstellung und Zusammensetzung der Bevölkerung doch eine andere.

Dass noch lange nicht alles gut ist, ist genauso klar. Die Schere zu den meisten westlichen EU-Länder ist noch viel zu groß... aber es war vor 10 Jahren deutlich schlimmer, jetzt sieht man wenigstens einen kleinen Schimmer am Ende eines der vielen Tunnel ;)

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Also ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin immer beeindruckt von den sozialen Leistungen wenn ich auf meiner Quinta bin, hier speziell Regiao Centro, Pampilhosa da Serra.
Davon sind wir in Deutschland noch Jahrzehnte entfernt. Das honorieren auch die Wähler und wählen links.

Ich bekomme da relativ viel mit, da ich fast nur Kontakt zu Portugiesen habe.
Hier nur ein paar Beispiele:
Nach den Bränden Oktober 2017 erhielten die Einwohner für den Wiederaufbau, wenn sie nicht versichert waren, 40% der Wiederaufbausumme von der Camara Municipal (Nachweis durch Rechnungen und Fotodokumentation). Auch ich als Ausländer erhielt dies (Ich hatte noch keine Versicherung, da ich beim Aufbau war und erst nach Fertigstellung eine abschließen wollte. Jetzt habe ich eine).
Nach den Bränden wurden die Betroffenen für 5 Monate von der Wasser- und Müllgebühr befreit.
Für gering verdienende Leute gibt es einen Sozialtarif beim Strom.
Weihnachten werden in den Supermärkten Produktspenden gesammelt, in der Camara weihnachtlich verpackt und dann bedürftigen Senioren und Familien am Weihnachtstag übergeben.
Für Arzttermine steht ein Kleinbus der Camara zur Verfügung, den man kostenlos telefonisch ordern kann.
Die Senioren im Santa Casa da Misericordia haben jede Woche mindestens eine Veranstaltung, das reicht von kulturellen Darbietungen der Schule, über gemeinsam Busausflüge bis hin zu Erzählungen aus der Vergangenheit vor den Schulklassen.
Für die Corona-Impfung wurden alle Einwohner nach Priorisierung von der Camara angerufen und ein Termin vereinbart. Wer nicht selber fahren konnte wurde von der Camara abgeholt und zurückgefahren. Hierzu hatte die Camara alle Taxi-Unternehmen für 6 Monate vertraglich gebunden.
Während des Lockdowns erhielten alle Schüler Laptops und einen Mobilfunkvertrag von der Camara und wöchentlich ein großes Obstpaket.
Monatlich erhalten alle Einwohner 10 Schutzmasken von der Camara... als ich im September dort war, ist mein Briefkasten vor Masken fast übergequollen.
Schüler werden durch Anreize gefördert und die besten erhalten von der Camara Einkaufsgutscheine, welche sie bei einer von der Camara finanzierten Fahrt dann in Coimbra einlösen können.
Im letzten Schuljahr können die Schüler Projekte einreichen für Existenzgründungen. Das Beste Projekt wird dann nach einer Wahl von der Camara in der Realisierung finanziell gefördert.
Der ökologische Waldumbau, weg von Eukalyptus, wird gefördert, hier insbesondere regionale Projekte, z.B Medronhos-Anbau und -verarbeitung, ökologische Honigproduktion (Pampimel).
Neuerdings wird auch der Weinanbau am Rio Zezere gefördert.
Bei der Camara kann man jederzeit seine Anliegen klären, ohne Termin und ich habe nie länger als 20min gewartet.
Als fremder ist man auch von Anfang an integriert, egal ob bei den Nachbarn, im Dorf oder bei den Behörden.

Natürlich verdienen die Leute weniger als in Mitteleuropa, aber im ländlichen Bereich sind sie auch genügsamer und viele Sachen, welche für uns "so" wichtig sind, sind dort vollkommen bedeutungslos.
Wichtig ist den Menschen Achtung, Solidarität und ein freundschaftlicher Umgang untereinander.

Das sind aber leider die 3 Grundpunkte, welche bei uns Mitteleuropäern zum größten Teil fehlen, wodurch ich denke auch dieses Prinzip bei uns mentalitätsbedingt nicht umsetzbar ist.
 
@K.P. Danke für den Link, ein lesenswerter Artikel!

Wichtig ist den Menschen Achtung, Solidarität und ein freundschaftlicher Umgang untereinander.

Das sind aber leider die 3 Grundpunkte, welche bei uns Mitteleuropäern zum größten Teil fehlen, wodurch ich denke auch dieses Prinzip bei uns mentalitätsbedingt nicht umsetzbar ist.
Ich glaube die westlichen Gesellschaften fußen auf solchen Eigenschaften, es geht nur mehr und mehr verloren. Ob das umkehrbar ist, muss sich zeigen.
In meiner Nachbarschaft, und nicht nur dort, finde ich das und vermutlich finden sich in allen westeuropäischen Ländern nicht wenige Menschen, die dem entsprechen. Während der Pandemie und nach den Überschwemmungen im Ahrtal zeigte sich, dass Solidarität und Hilfsbereitschaft durchaus vorhanden ist.

Leider gibt es auch die Gegenbeispiele und erschreckend vielen Menschen dient z. B. Herr Trump als Vorbild. Egoismus und Rücksichtslosigkeit anstatt von Achtung, Solidarität und einem freundschaftlichen Auftreten werden offensichtlich akzeptiert, wenn man nur "erfolgreich" ist. Wie blicken die Portugiesen eigentlich auf Trump?

Die Republik wird ja auch einen Artikel zu Deutschland schreiben, schließlich werden wir ja nun auch "rot" regiert. Mal schauen, was der Blick von außen zu Tage fördert.
 
Der Artikel ist interessant, wobei ich einige aktuellen Situationen etwas anders sehe. z.B.
Die Partei Chega. Rechte hat es in Portugal nach der Revolution immer gegeben. Die CDS vom Ekelpaket Paulo Portas einst Koalitionspartner vom zum Mensch gewordenen Fado, Passos Coelho PSD Minister Präsident vor dem heutigen António Costa. Die CDS hat sich immer eifrig bei den Rechten prostituiert. Nach dem Weggang von Paulo Portas verschwindet jetzt auch langsam die CDS und wird durch Chega mit dem smarten António Ventura ersetzt. Darüberhinaus ist Portugal nicht anders als andere europäischen Länder. Ob in DE, NL, DK, FR oder BE 10-20% der Bevölkerung ist rechts wie etwa 10% linksaussen ist.

Wahlen sind in Portugal Persönlichkeitswahlen. Joviale, freundliche und gemütliche Personen haben eine bessere Chance. z.B. Mario Soares, António Guterres oder António Costa alle von der PS, Cavaco Silva wurde gewählt weil er einen zuverlässigen, seriösen Eindruck machte, eine Persönlichkeit die man damals in Portugal dringend brauchte wie auch Pedro Passos Coelho nach Klupschauge Durâo Barroso und dem aalglatten Santana Lopes.

Portugal ist ein geteiltes Land. Der Norden und Teile des Centros wählen immer konservativ dh PSD, Lissabon und der Süden mit Ausnahmen von Teilen der Algarve eher links. Madeira = PSD und die Azoren waren lange PS und sind jetzt auch PSD. Aus diesem Grund glaube ich nicht,dass wenn Portugiesen ihren 'Arbeiter' Status ablegen sie auch ihre politische Meinung ändern.
Johan
 
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