• Gäste können im PortugalForum zunächst keine Beiträge verfassen und auch nicht auf Beiträge antworten. Das klappt nur, wenn man registriert ist. Das ist ganz leicht, geht schnell und tut nicht weh: Registrieren. Und dann verschwindet auch dieser Hinweis ...

Portugal 1985: Reisebericht aus einer anderen Sternenzeit (1)

Brodnik

Amador
Teilnehmer
Stammgast
Hallo zusammen ... :)

in meinem Vorstellungsthread als neuer User hier, wurde ich ja auch die Idee gebracht, auch mal einen Reisebericht zu verfassen. Ich habe mich dafür entschieden, meine erste Reise nach Portugal hier vorzustellen, das war im Jahr 1985.
Zu der Zeit hatte ich noch so gar keinen Plan von Urlaubsreisen. Meine damalige neue Freundin hat mich sodann gewissermaßen nach Portugal 'verschleppt' ... Zitat: Wir fahren zusammen nach Portugal oder wie fahren nirgendwo hin ... :-D
Meine Freundin war schon ein Jahr zuvor in Portugal (Rucksackreise mit einer Freundin von ihr in Mittelportugal), davon war sie total begeistert, da kam nix anderes in Frage.

Ja gut - wir waren jung, aber Geld hatten wir nur sehr wenig. Schon aus dem Grund war klar, dass wir zu viert mit einem befreundeten Paar fahren würden - senkt die Kosten. :rolleyes:
Zeit hatten wir aber, und zwar genau 4 Wochen.

Und ja - ich war ein Mantafahrer. Unglaublich. Zu der Kiste kam ich, als mir ein paar Monate zuvor irgend so ein Blödmann in meinen schönen alten Simca 1301 gefahren ist, Totalschaden (über den Verlust bin ich eigentlich nie hinweggekommen heul). Und für meinen Beruf brauchte ich halt SOFORT ein neues Auto, und im Autohaus auf dem Dorf, wo ich wohnte im Landkreis Hannover, gabs grad nur den Manta als für mich bezahlbaren Gebrauchtwagen, so nahm das Schicksal seinen Lauf ...
Also zu viert im Manta - gut gefahren isser ja. :cool:

Irgendwann im Sommer 1985 gings dann also los. Klar war: wir werden Campen, das dann auch noch vorwiegend wild, also nicht auf dem Campingplatz, das spart auch Geld, meinte meine Freundin (Susanne, die große blonde auf den Fotos).
Und Mautgebühren zahlen, kam natürlich auch nicht in Frage.
Also sind wir bis nach Portugal durch Frankreich und Spanien gefahren, ohne eine einzige müde Mark für Mautgebühren auszugeben - heißt dann auch: mitten durch Paris gefahren. Und dort kaum wieder rausgefunden, ohne auf eine mautpflichtige Straße zu geraten. War ja wichtig. Aber die großen Kreisel in Paris mit sechs oder mehr Spuren waren schon Klasse. :panik3:

Irgendwo hinter Paris landeten wir dann doch auf einem Campingplatz zum übernachten:

1985-portugal001.jpg


1985-portugal004.jpg



Am nächsten Tag gings dann weiter - immer schön über die großen dreispurigen Landstraßen, und auch immer durch die Städte durch - da gabs nie eine Umgehungsstraße. Und das die mittlere Spur auf diesen Routes National zum überholen für BEIDE Fahrtrichtungen galt, da mussten wir uns auch erst dran gewöhnen, hatten dann aber bald den Bogen raus.
Über Orleans, Tours und Bordeaux gings dann nach Spanien rein, von da aus Richtung Burgos, Valladolid, Salamanca, um sodann unser erstes Ziel in Portugal anzusteuern, nämlich Guarda.

Hier endet nun der erste Teil meines Berichtes aus einer anderen Sternenzeit. Es wird dann weiter gehen mit unserer nächsten Übernachtung in der Nähe von Salamanca - dort begann dann das Drama mit meinem Zahn, welches ich schon angedeutet habe.

In wie vielen Teilen ich diesen Reisebericht schreibe, weiß ich noch nicht. Und wie lange es dauern wird insgesamt, weiß ich auch noch nicht - könnten schon 3-4 Wochen werden, hab grad nicht so viel Zeit.
Zu den Fotos, deren Qualität nicht so gut ist, muss ich noch folgendes sagen: es wurden damals Dias gemacht mit einer analogen Revue Kleinbild-Sucherkamera Modell 100 C - verwendet als Diafilm wurde der Kodakchrome 25. Um die Dias zu digitalisieren, wurden sie mit dem Projektor an die weiße WZ-Wand projeziert und sodann digital noch nachbearbeitet.
 
Zu den Fotos, deren Qualität nicht so gut ist, muss ich noch folgendes sagen: es wurden damals Dias gemacht mit einer analogen Revue Kleinbild-Sucherkamera Modell 100 C - verwendet als Diafilm wurde der Kodakchrome 25. Um die Dias zu digitalisieren, wurden sie mit dem Projektor an die weiße WZ-Wand projeziert und sodann digital noch nachbearbeitet.
Das hatte ich auch schon vor ein paar Jahren gemacht, als meine Mutter sich entschieden hatte, die alten Familienfotos digitalisieren zu lassen. ;)
 
Auch ich bin schon gespannt auf die Fortsetzung! Sehr schöne Zeitreise... :)Mitte der 80er hätte ich mir nie träumen lassen, dass Portugal mal ein Herzensort wird, mehr als "das kleine Land neben Spanien" war das damals nicht für mich... komplett Terra incognita... :angst: :pssst:
 
Hallo Brodnik,

Boah, ey, bitte weiter, bin gespannt.
Äh, las dir Zeit, Hauptsache, es gibt eine Fortsetzung.
Und das die mittlere Spur auf diesen Routes National zum überholen für BEIDE Fahrtrichtungen galt, da mussten wir uns auch erst dran gewöhnen, hatten dann aber bald den Bogen raus.
Dafür gibt es in den USA ein tolles Wort: suicide lane
 
Haha, so coole Bilder die uns alten Säcke wieder in unsere Jugend holen.
Ich bin ab 1980 auch immer mal wieder in Portugal gewesen. Aber als Surfer/Windsurfer ging es erst nach Guincho und dann weiter nach Tarifa in Spanien.
Der Rest war relativ egal, da ein Surfer nur nach Wellen und Wind Ausschau hält.
Allerdings war ich mit einem großen Wohnmobil ( selbst ausgebauter Mercedes LKW mit großem Möbelkoffer ) unterwegs und hatte auch immer Spaß in den Pariser Kreiseln. Da durfte nur kein deutscher Opa mit Hut unterwegs sein, dann ging fast gar nichts mehr. Der blieb einfach stehen.


Bin gespannt, wie es weiter geht
 
Hallo Leute ...
Vielen Dank für eure freundlichen Rückmeldungen. :kiss2:

super! Danke. Und ich freu mich schon drauf, wie's weitergeht.
Mein Lebensbegleiter hat das alles auch so abenteuerlich in den 80ern gemacht, der wird sicher gerne hier mitlesen.
Grüße an deinen Lebensbegleiter. :)
Super, auch von mir vielen Dank! Ich freue mich schon auf die nächsten Teile.
Ich danke dir - denn du hast mich ja auf die Idee gebracht mit diesem Reisebericht.
Aber schon lustig wie wir alle damals rumgerannt sind. :)
Ja, da hast du wohl recht.
Und ich wie ich damals aus sah ... nun ja - das kommt auf keine Kuhhaut - wirst ja noch sehen ... :hurra.gif:
Erstaunlich wie gut die digitalisierung deiner dias gelungen ist ...
Danke für das Lob.
Meine Frau hat sehr geholfen - sie fotografierte die Fotos von der Wand ab.
Und wie schon gesagt: bei jedem Foto wurde auf dem PC dann auch noch mehr oder weniger 'nachgeholfen', v.a. hinsichtlich Schärfe, Belichtung/Helligkeit/Schatten, Begradigung der Horizonte.
Auch ich bin schon gespannt auf die Fortsetzung! Sehr schöne Zeitreise... :)Mitte der 80er hätte ich mir nie träumen lassen, dass Portugal mal ein Herzensort wird, mehr als "das kleine Land neben Spanien" war das damals nicht für mich... komplett Terra incognita... :angst: :pssst:
Mir gings damals genauso, wie du sagst: Terra incognita - und soooo weit weg!
Da hatte ich mich auch gefragt: wieso können wir eigentlich nicht einfach an die holländische Nordseeküste fahren, oder wenigstens nur nach Frankreich? :redface:
Boah, ey, bitte weiter, bin gespannt.
Äh, las dir Zeit, Hauptsache, es gibt eine Fortsetzung.
Keine Bange, es gibt selbstverständlich die Fortsetzungen - schon bald ...
Haha, so coole Bilder die uns alten Säcke wieder in unsere Jugend holen.
Tja..... :redface:
Da durfte nur kein deutscher Opa mit Hut unterwegs sein, dann ging fast gar nichts mehr. Der blieb einfach stehen.
Opa mit Hut ... da darfst du dich schon auf ein Foto freuen, und zwar von mir ... :eek:
 

Portugal 1985 + Reisebericht aus einer anderen Sternenzeit + Teil 2​

Oukei - dann wollen wir mal weiter machen ...
:blush:


Von diesem besagten Campingplatz südlich von Paris gings dann also am nächsten Morgen weiter: Orleans, Tours, Poiters, Angouleme und sodann Richtung Bordeaux.

Eigentlich gings immer mitten durch die Städte durch. Beschilderung war zumeist Mangelware - fast immer mussten wir deshalb eher nach Himmelsrichtung fahren bzw. dem häufigsten Schild folgen: "Toutes Directiones".

Die ganze Sache zog sich also hin, aber wie gesagt - Autobahn kam ja nicht in Frage.

Und es war auch klar: wenn wir irgendwann nochmal in absehbarer Zeit in Portugal ankommen wollten, mussten wir die kommende Nacht durchfahren, mit Fahrerwechsel natürlich.

Es musste so in der Nähe von Bordeaux gewesen sein, als dann auch meine Zahnschmerzen anfingen ...

Wir passierten dann Bordeaux, es kam Bayonne und sodann waren wir in Spanien. Weiter gings nach Zarautz - sodann in südwestlicher Richtung Richtung Burgos. Zwischenzeitlich wurden einige Pausen auf Parkplätzen eingelegt, und wir verzehrten unseren Proviant, den wir dabei hatten.

Wann wir genau wo waren, weiß ich nicht mehr, zwischendurch habe ich ja auch immer mal wieder geschlafen.

Irgendwo zwischen Burgos und Valladolid entstanden am Abend die beiden folgenden Fotos:

1985-portugal006.jpg


1985-portugal007.jpg



Da unsere Vorräte zu Ende gingen, beschlossen wir, dann doch noch ein Lokal zu suchen, wo man was essen kann. Allerdings ergab sich auf der großen (National?)Straße nichts, also bogen wir irgendwo zwischen Valladolid und Salamanca in eine kleine Straße ein, weil ein Schild anzeigte, dass es dort zu einem Ort gehen würde. Und wir fuhren und fuhren und fuhren ....... aber nichts! Kein Dorf, keine Häusersiedlung, auch keine weiteren Schilder, einfach Nichts!

Na gut - so nach ca. 25 KM kam dann doch das Dorf. Und oh Wunder, es war auch eine Kneipe geöffnet. Wir also rein - es war laut, jede Menge Männer fast alle an der Theke, es wurde Bier getrunken, es wurde geraucht, es wurde gelacht, dazu ein Stimmengewirr von allen möglichen Leuten gleichzeitig. Auf dem Boden lagen jede Menge ausgetretene Kippen, Speisereste und so einiges an Dreck und Müll und Verpackungsresten.

Eine Frau hinter der Theke fragten wir dann, ob wir hier auch was zu Essen kriegen könnten. Wir hatten schon etwas Bedenken, weil es ziemlich genau 21.45 Uhr war, daran erinnere ich mich noch. Die Antwort der Frau lautete: Nein! Tja, das wars dann wohl, dachten wir uns, aber das dachten wir eben nur.......

Es stellte sich nämlich ziemlich schnell heraus, dass es NOCH nichts zu essen gab, sondern erst ab 22 Uhr. Da haben wir nicht schlecht gestaunt. Tja, und dann haben wir uns eben den Bauch vollgestopft mit diversen Tapas.

Nach dem Essen gings dann erstmal die 25 Km wieder zurück auf die Hauptstraße. Meine Zahnschmerzen wurden schlimmer, trotz Schmerztabletten.

Es muss so um Mitternacht gewesen sein, als wir durch das nächtliche Salamanca fuhren. Nach meiner Erinnerung war es eine besondere Atmosphäre: es waren jede Menge Leute auf den Straßen, überall war was los, jede Menge Bars und Kneipen hatten noch geöffnet, und die Leute saßen draußen an den Tischen.

Hinter Salamanca konnten wir dann nicht mehr - wir bogen wieder in eine kleine Straße ein, es war schon mitten in der Nacht. Irgendwo fuhren ein wenig in einen Sandweg rein, hielten an und hauten uns mit unseren Schlafsächen einfach draußen ins Gras. Die Nacht war ziemlich kalt, und das Drama mit meinen Zahnschmerzen nahm weiter seinen Lauf ...

Teil 3 folgt demnächst.
Kleine Vorschau: das Drama mit meinem Zahn in Guarda und das Drama-Finale in Porto im Krankenhaus - danach erste Erholung in Praia do Furadouro - dann auch wieder mit mehr Fotos
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Thema mit dem "späten Essen" der Spanier dürfte alle Reisenden beim ersten Besuch erstaunen. Noch etwas später, wenn das überhaupt möglich ist, habe ich auf Gran Canaria erlebt. Ich wusste natürlich, dass es auch hier erst spät losgeht. In Las Palmas sind wir so gegen 22:00 Uhr langsam Richtung Restaurants geschlendert. Ich wollte eigentlich am Publikum ablesen, wer da so verkehrt. Gegen 23:00 Uhr war das immer noch unmöglich, weil wir quasi überall die ersten waren. Wir haben dennoch ein gutes Restaurant entdeckt, das sich so ab 24:00 füllte. Wir sind gegen 1:00 Uhr raus und da war es proppenvoll mit spanischem Geräuschpegel. Die nächsten Tage haben wir dann unsere Siesta auf ca. 21:00 Uhr ausgedehnt. Jung und verliebt war das keinesfalls ein Fluch, sondern ein Segen. :cool:

Lustig ist auch die Angewohnheit, in der Dorfkneipe alles auf den Boden zu werfen. Ca. zu Deiner Zeit, als Ihr unterwegs ward, wurden oft grobe Sägespäne auf dem Boden verteilt. Morgens dann alles zusammen raus fegen. Da muss dann auch nicht mehr feucht gewischt werden. Nasses saugen die Holzspäne auf. So ist die Kneipe ruckzuck wieder startklar.
 
Mehr, mehr... :-D Bitte.
Geht auf jeden Fall weiter, versprochen.
Wobei es insg. tatsächlich wohl an die vier Wochen brauchen wird, bis ich durch bin.
Vielleicht auch noch länger, wer weiß..... :cool:

Übrigens - auch @Dom Estêvão - die ganze Region dort hinter Burgos, bzw. alles um Valladolid und Salamanca herum, hatte es mir schon damals irgendwie angetan. Später in Portugal auf meinen Reisen ging es mir ähnlich in Tras os Montes. Auch wenn ich in späteren Jahren oftmals in Spanien war (Kantabrien, Katalonien, Ibiza und Formentera) - in die besagte Region bin ich leider nie wieder gekommen, bis auf ein Mal wiederum auf der Durchreise, wo ich dann einige Stunden Aufenthalt in Caceres hatte, südlich von Salamanca.
Neben Portugal habe ich eben auch Spanien ziemlich lieb, wenn auch nicht ganz so doll, wie Portugal.
In Italien war ich dagegen in meinem ganzen Leben noch nicht eine einzige Minute ... :p
 
Stimmt das D-Schuld ist mir gerade erst aufgefallen:-D
Mir ist das wunderbare D-Schild auch erst jetzt aufgefallen, nachdem @caracol es erwähnt hatte. :)
Ich hab immer nur auf die Kloopapierrollen geguckt. :rolleyes:

Meinen Teil 3 werde ich übrigens noch heute einstellen. War grad in Schreiblaune, hatte Zeit und bin weitgehend fertig: das Finale der Zahngeschichte. Habe mich da sogar noch kurz gefasst, hätte auch locker doppelt so lang werden können - da fehlen noch so einige Umstände, die durchaus erwähnenswert gewesen wären, ebenso wie wir uns bei der ganzen Geschichte gefühlt haben ... eine Achterbahn der Emotionen, wo wir nicht wussten, wie die ganze Sache ausgeht, ob ich vielleicht im Flieger nach Hause muss, oder wir alle fahren zurück nach D, oder oder oder.....

Ab Teil 4 wird dann nur noch das Schöne im Mittelpunkt stehen! :hurra.gif:
 

Portugal 1985 + Reisebericht aus einer anderen Sternenzeit + Teil 3​

Kommen wir also zum Drama-Finale mit meinen Zahnschmerzen ...

Fotos von dieser Episode gibt es aus wohl nachvollziehbaren Gründen nicht - am Ende dieses Berichtes dann aber noch als Vorschau auf Teil 4 ein Foto von unserem ersten Standort in Portugal: wild gecampt zwei/drei Kilometer nördlich von Praia do Furadouro an der Steilküste.

Nach einer kalten Nacht im Gras neben dem Auto irgendwo zwischen Salamanca und portugiesischer Grenze wachten wir schon sehr früh vor sechs Uhr auf. Meine Zahnschmerzen waren mittlerweile kaum noch auszuhalten. Es war klar: wir mussten zu einem Zahnarzt - Guarda war das Ziel.

Am Vormittag kamen wir in Guarda an. Mittlerweile fuhr auch nur noch Volkmar. In Guarda fragten wir uns erstmal durch zu einer Adresse, die ich in meinen Unterlagen von der Krankenkasse hatte - dort sollte ich dann irgend ein Papierchen kriegen, um mich in Portugal behandeln lassen zu können. Nach meiner Erinnerung gab es dieses Papier dann auch in so einer Art von Gesundheitszentrum, in einer parkähnlichen Anlage war das. Dort gab man uns auch drei Adressen von Zahnärzten. Und dann fuhren wir auch gleich zum ersten von diesen drei Zahnärzten. Und nun geschahen viele - sagen wir mal - seltsame Dinge ...

Der erste Zahnarzt ist mir besonders gut in Erinnerung geblieben. Nach kurzer Wartezeit sollten wir also ins Behandlungszimmer gehen. Mit 'wir' meine ich meine Freundin Susanne und auch Regine - weil Regine wenigstens sehr gut französisch sprechen konnte. Und weil wir alle ja fast kein Wort portugiesisch konnten, dachten wir uns, mit französisch kann man sich besser verständigen als mit Englisch - genau das war auch zumeist der Fall.

Okay - wir also rein ins Behandlungszimmer. Und da saß dann auch der Zahnarzt hinter seinem Schreibtisch (gegenüber vom Behandlungsstuhl) und ........ rauchte gemütlich an einer Zigarre!! Wir machten uns mit Englisch und vor allem Französisch (durch Regine) verständlich, und ganz offensichtlich verstand der Zahnarzt auch. Es wies mich an, mich auf den Behandlungsstuhl zu setzen, kam dann auch rüber, mit seiner brennenden Zigarre. Die brennende Zigarre legte er irgendwo auf die Kante von irgendeiner Platte, und dann guckte er mir in den Mund, wie das ein Zahnarzt so macht. Das alles dauerte eine Weile und er grummelte irgendwas vor sich hin. Anschließend nahm er die brennende Zigarre und nahm wieder Platz hinter seinem Schreibtisch, rauchte weiter an seiner Zigarre. Er machte uns dann klar, dass das wohl irgendwas kompliziertes sei mit meinem einen Backenzahn. Helfen könnte er auch nicht weiter, aber er würde uns ein Rezept geben für ein Schmerzmittel aus der Apotheke. Dann zog er seine Schreibtischschublade auf, wo lauter Geldscheine drin lagen und hielt uns seine flache Hand entgegen, während er weiter an seiner Zigarre paffte. Er wollte ganz offensichtlich Geld haben. Wir zeigten ihm das Papier aus dem Gesundheitszentrum, aber er schüttelte nur den Kopf. Ich weiß nicht mehr genau wie viel wir ihm dann gegeben haben - umgerechnet um die 20 D-Mark werden es wohl gewesen sein. Tja, und dann standen wir wieder auf der Straße, bzw. saßen im Auto, fuhren zur Apotheke, kauften das Medikament und beschlossen, zur nächsten Adresse zu fahren.

Also hin zum nächsten Arzt - genauer gesagt: Ärztin. Die sprach Gott sei Dank französisch. Mein Krankenkassenpapier wurde auch akzeptiert. Ich will es nicht zu lang machen - daher nur kurz: auch sie konnte nicht helfen, vermutete jedoch irgendwas im Kiefer, da der Zahn von außen gut aussah. Und aktuell helfen konnte sie auch nicht. Begründung: das Wasser war in ihrer Praxis komplett abgestellt - oh mannomann!! Und sie sagte uns noch, dass wir lieber nach Porto fahren sollten, hier in Guarda würde es wohl sehr schwierig werden mit Hilfe für mich. Und sie gab uns eine Adresse eines Krankenhauses in Porto.

Alles klar - wir also raus. Es war mittlerweile schon später Nachmittag. Proviant musste auch noch eingekauft werden. Und es war klar: wir fahren nach Porto. Die neuen Medikamente brachten übrigens kaum was. Und so wurde es eine wahre Höllenfahrt für mich nach Porto - die meiste Zeit im Dunkeln. Volkmar tat sein bestes, damit wir irgendwann auch mal in Porto ankommen. Denn zu der Zeit war ja noch nichts mit IP oder Autobahn. Also ging es rauf und runter mit so einigen Serpentinen durch die Beira Alta - ungefähr 5 Stunden haben wir nach meiner Erinnerung gebraucht bis nach Porto. Wir kamen wohl kurz nach Mitternacht auf dem Campingplatz in Porto an - keine Ahnung, wie Volkmar und die Anderen da hingefunden haben. Ich war total fertig wegen der Zahnschmerzen. Auf den Platz kamen wir nicht mehr rauf, aber wir durften auf einem kleinen Rasenstück an der Einfahrt zum Platz die Zelte aufbauen. Und wir nahmen uns vor, gleich morgen früh zu dem Krankenhaus, von dem wir die Adresse hatten, zu fahren. Doch es kam erstmal anders ...

Ich bin zwar noch irgendwie eingeschlafen, doch dann von den Zahnschmerzen ziemlich schnell wieder aufgewacht. Tja, und dann fingen auch noch neben den irren Zahnschmerzen die Sehstörungen bei mir an. Also wurde die Ambulanz gerufen mit Hilfe eines Angestellten vom Campingplatz. Die Ambulanz kam dann auch, ich wurde in den Transporter verfrachtet. Susanne durfte mit rein. Dann gings mit Blaulicht und Horn durch das nächtliche Porto. Volkmar und Regine im Manta hinterher, damit wir uns nicht verlieren - es gab schließlich keine Handys. Volkmar meinte später, er hätte Mühe gehabt, dem Ambulanzwagen zu folgen. Im Ambulanzwagen geschah nichts, außer das sich einer der Sanitäter erstmal eine Kippe anzündete. Dann kamen wir an, es muss ein Krankenhaus gewesen sein. Vor dem Krankenhaus lagerten sehr viele Leute, es müssen mindestens 50 vor dem Eingang gewesen sein, die da standen oder auf dem Boden herum saßen, zum Teil saßen sie auf Decken, die sie wohl mitgebracht hatten. Manche aßen und tranken auch aus mitgebrachten Sachen. Ein paar Leute wollten zur Eingangstür rein, aber man ließ sie offenbar nicht. Wir (Susanne, Regine und ich) hingegen wurden mit Hilfe der Sanitäter reingelassen und wurden durch einige Gänge geführt; Volkmar blieb draußen am Auto. In den Gängen lagen so einige Leute in den Betten, die an der Wand standen. Zwei Ärzte hielten Röntgenbilder gegen das schummerige Licht der Deckenlampen und besprachen offenbar diese Bilder und ... na klar - beide rauchten dabei. Dann wurden wir in ein Zimmer geführt, dort saß schon jemand - es war wohl eine Ärztin. Ihr wurde (wieder auf französisch) alles erklärt. Sie meinte, sie könnte jetzt nichts machen, weil der Zahnarzt im Krankenhaus erst morgen früh wieder käme, aber sie könnte mir eine Spritze gegen die Schmerzen geben. Alles klar - machte sie dann auch. Was soll ich sagen? Es dauerte wohl kaum eine Minute, danach waren die irrsinnigen Schmerzen wie weggeblasen. Unglaublich! Wahnsinn! Irre! Geil! Keine Ahnung, was die mir da gespritzt hatte, war mir auch herzlich egal. Ich war einfach nur total froh und erleichtert. Sodann ging es zu viert im Manta zurück zum Campingplatz. Auch da weiß ich nicht mehr, wie wir zurück gefunden haben. In den Zelten schliefen wir dann ziemlich schnell ein. War ja auch schon drei oder vier Uhr nachts, keine Ahnung wie spät genau, dunkel war es jedenfalls noch.

Wir kommen zum Finale dieser für mich unvergesslichen Episode: wir sind wohl so gegen 9 Uhr aufgewacht/aufgestanden und sind dann alle vier gleich los mit dem Auto. Die Zelte durften wir erstmal so stehen lassen, wurde uns gesagt. Ich kann mich nicht erinnern, wie wir wieder zu diesem Krankenhaus gefunden haben. Es war aber nicht das, was uns die Zahnärztin in Guarda empfohlen hatte. Zahnschmerzen waren übrigens auch schon wieder da bei mir. Um es wieder zu verkürzen: das Papier von der Krankenkasse wurde akzeptiert und ziemlich schnell wurden Susanne, Regine und ich in das Behandlungszimmer des Zahnarztes gerufen. Was sahen wir zuerst? Antwort: in einem alten verdreckten Waschbecken lagen so einige blutige gezogene Zähne! Urps! Puh Ha!!!!! Nicht zu fassen! Dann sahen wir den Zahnarzt: er sah aus wie der junge Jean Paul Belmondo. Er begrüßte uns freundlich auf englisch. Und auch er hatte eine brennende Kippe in der Hand! Sogleich stellte sich heraus, dass die Zahnarzthelferin ziemlich gut deutsch sprechen konnte. Ok, diese Untersuchung verlief irgendwie professioneller als die bisherigen. Die Kippe wurde zwischenzeitlich auch im Aschenbecher ausgedrückt.

Als der ZA fertig war mit seiner Durchsicht in meinem Mund, erklärte er uns - durch Übersetzung der Arzthelferin - das die Sache ganz klar wäre: mein Backenzahn sei viel zu groß, und es sei kein Wunder, dass das dann sehr stark schmerzen würde - und der Zahn müsste gezogen werden, das wäre die einzige Möglichkeit. Oh Mann, das war natürlich totaler Humbug, wie ich später in D von anderen Zahnärzten erfahren musste - sehr wahrscheinlich handelte es sich schlicht und einfach um eine üble Wurzelentzündung, die gleichen Schmerzen hatte ich dann viele viele Jahre später nochmal an einem anderen Zahn, da war ich dann aber innerhalb von drei Stunden bei meinem Zahnarzt und wurde behandelt, natürlich OHNE Zahn ziehen. Aber zurück zum Geschehen: wir waren jung, wir waren doof und zugleich waren wir erleichtert, dass nun die ganze Sache gut ausgehen könnte. Und selbstverständlich habe ich der Zahnentfernung zugestimmt - 3000 Kilometer von zu Hause weg, kaum Geld, zermürbt von den Schmerzen, und der Möglichkeit nun ganz nah, die Reise für uns alle zu retten.

Wie es dann genau passierte, kann man sich ja vorstellen. Susanne und Regine sind dann aber raus aus dem Behandlungszimmer. Nach meiner Erinnerung hat das Ziehen auch nicht groß weh getan, habe noch zuvor eine Spritze gekriegt. Mein Zahn wurde dann zu den anderen Zähnen in das alte verpeekte Waschbecken geworfen ...

Im Nachhinein wurde mit die Sache dann klar, als ich an die gezogenen Zähne im Waschbecken dachte: wer zu diesem Zahnarzt mit Zahnschmerzen reingeht, der geht immer ohne Zahnschmerzen wieder raus, aber auch immer mit mindestens einem Zahn weniger!

Wir sind dann zurück zum Campingplatz, ich mit einer nur leicht schmerzenden Wunde und einem Riesenloch im Kiefer, aber die vorherigen Zahnschmerzen kamen natürlich nicht wieder. Am Campingplatz erfuhren wir dann, dass wir da nicht drauf könnten, weil alles voll bzw. reserviert war. War uns aber auch egal - wir waren alle nur froh und erleichtert, wie die Sache ausgegangen ist. Also fuhren wir aus Porto Richtung Süden raus und suchten und fanden dann auch unseren ersten richtigen Standort zum Campen in Portugal.

Unsere erste 'richtige' Camping-Station - ca. 2 bis 4 KM nördlich von Praia do Furadouro:

1985-portugal015.jpeg



Teil 4 folgt demnächst - dann auch mit mehr Fotos.
 
Großartig- natürlich nicht Deine Schmerzen, aber was man in solch einer Notsituation dann alles für Stories erleben kann...
 
Zurück
Oben