Aber was dieser Satz über die Politik im Allgemeinen aussagt, ist bemerkenswert.
Um mich hier nicht falsch zu verstehen: ich denke der Terminus "Ignoranz"ist absolut untauglich, um das Verhältnis von Politik und Bürger zu beschreiben. Parteien vertreten immer Partikularinteressen, deswegen sind es ja Parteien. Und "die" Politik gibt es auch nicht.
Das muss man jetzt nicht gut finden, aber in der repräsentativen Demokratie, wie in Europa üblich, sind Formen der direkten Demokratie weitgehend zurückgedrängt. In der Schweiz gibt es ja diese bekannten Volksabstimmungen, aber ansonsten funktioniert unsere Demokratie eben über Repräsentation. Das als "Ignoranz" zu framen, ist ein rechtspopulistisches Narrativ.
Wenn ich schreibe, dass die AFD ihre Wähler ignoriert, dann meine ich damit vor allem zweierlei: Den meisten Wählern dürfte völlig unklar sein, was die Partei eigentlich wirklich will. Dass die AfD in Teilen einen strikt libertäres Profil hat, dass man soziale Sicherungssysteme grundsätzlich ändern und zum Teil abschaffen will, würden sicherlich die meisten der AfD-wähler ablehnen, wenn man sie mal fragen würde. Die AFD spricht davon in der Regel nicht, sondern meistens eben nur über Migration, Klmapolitik oder meinetwegen auch Corona.
Dass die AfD ihren Wählern keinen reinen Wein einschenkt, sondern mit Krawall-Themen versucht verunsicherte Menschen einzufangen, das nenne ich Ignoranz.
Es ist dieser Partei völlig egal, was ihre Wähler eigentlich wollen, und wie diese sozial gestellt sind. Für die AfD ist das alles nur Stimmvieh.
Ich glaube aber auch, dass gerade in Ostdeutschland das Demokratieversprechen zum Teil falsch verstanden wurde. Demokratie bedeutet nicht, dass jeder seine Ideen unmittelbar umsetzen kann. Ich habe allerdings manchmal das Gefühl, dass das so begriffen wird. Ebenso wie Meinungsfreiheit nicht bedeutet, dass man auf seine Positionen keinen Widerspruch erfährt. Man darf seine Meinung äußern muss aber auch hinnehmen, dass es eine Gegenrede gibt.
Hier ist noch ein sehr guter Text, von Oliver Decker, der ebenfalls ausgezeichnete Erklärungen bietet.
Andere Länder sind stolz auf die Demokratie, Deutschland auf seine Wirtschaft. Wie Oliver Decker sich und uns den allgemeinen Rechtsruck erklärt.
taz.de