Ich finde, der Artikel verdient einen eigenen Thread. Wer ihn noch nicht gelesen hat, sollte es nachholen, er ist dauerhaft frei verfügbar.
Hier wird viel über das Thema diskutiert, allerdings meist aus einer völlig anderen Perspektive.
Gerne, aber ich verstehe nicht so ganz "die andere Perspektive". Dass die schlechte Isolation am Geld liegt, ist zwar oft richtig (und logisch), aber nicht die ganze Wahrheit. Mir heult der Autor etwas zu viel, anstatt einfache Lösungen und auch selbst verschuldet Gründe aufzuführen. Im Großen Ganzen ist der Beitrag aber ok.
Bei allem, was ich nun aufführe, klammere ich den hohen Norden in Zentralportugal und einige Serras aus. Dort wird es wirklich kalt und ungemütlich. Ich war im Winter noch nie dort und kann nichts dazu sagen.
Das Thema mit den hohen Energiekosten
Das kann ich nicht nachvollziehen. Würden wir in Deutschland in schlecht isolierten Wohnungen mit elektrischen Heizlüftern arbeiten, dann würden alle unterhalb von Multimillionär frieren und das Stromnetz würde zusammenbrechen. Das ist ein Quatsch-Argument.
Andersherum wird ein Schuh draus. Im größten Teil Portugals ist es auch im Winter so mild, dass man mit wenig heizen ein angenehmes Raumklima bekommt.
Das Thema Isolation oder generell lausiger Bau
Das spricht er an und gibt es auch korrekt wieder. Bewusstsein, Wissen und Expertise auf dem Bau fehlen. Das Ergebnis sind lausige Wohnungen und Häuser. Das weiß aber auch schon jeder bei uns im Forum und wurde schon sooooo oft thematisiert. Für mich, nichts Neues.
Und was ist mit der Mentalität oder der Sozialisierung?
Das hat er gar nicht auf dem Radar.
Ich kenne einige Portugiesen, die vor 10 oder 20 Jahren ohne Geldnot unisoliert bauten und nicht einmal eine Zentralheizung vorsahen. Statt 6 Zimmer und 5 Badezimmer für eine vierköpfige Familie hätten die immer noch ausreichende 4 Zimmer mit 2 Badezimmer bauen können und dafür sauber isolieren und eine effektive Heizung einbauen können. Der BMW SUV vor der Tür ist ja auch beheizt. Und für den Pool hätte das Geld dann trotzdem noch gereicht.
Ja, es gibt viele armselige Wohnungen, inklusive die niedrigen ach-so-romantischen Im-Alentejo-Stil-Häußchen. Man sieht oft ältere Menschen, die sich zum Aufwärmen in die Sonne stellen (müssen). Es gibt jedoch ebenso viele Häuser, in denen aus "kultureller Besonderheit" und Gewohnheit, um es mal milde zu formulieren, gefroren wird. Ein zusätzliches Badezimmer, ein schickeres Auto und oft der Pool sind wichtiger.
Und dann beobachte ich noch etwas. Achtet einmal darauf. Portugiesen suchen selbst im Winter den Schatten. Und selbst im Winter sind an Südseiten viele Rollläden unten. Ich friere da schon, beim Hinschauen. Für mich gibt es nichts Schöneres, als an einem sonnigen, kühlen Wintertag alle Fenster aufzumachen, die Sonne hereinzulassen und mir ein sonniges Café zu suchen.
Portugiesen sind entgegen unserer Vorurteile ziemlich kälteunempfindlich. Natürlich ist es Ihnen auch manchmal zu kalt. Aber die meisten leiden nicht wirklich darunter. Unseren Nachbarn ist es in unserer Wohnung zu warm. Die beklagen sich, fangen an zu schwitzen und dann zu müffeln (nein, letzteres war ein Scherz). Viele finden den Winter die angenehmere Jahreszeit. Fragt aber nicht jetzt. Zur Zeit ist es kalt. Frag mal im August.
Eine Architektin hat mir einmal gesagt: "Portugiesen fragen nicht nach der Sonneneinstrahlung. Eingang und Küche etc. Richtung Straße und gegenüberliegend Wohnzimmer mit Terrasse/Garten/Hof. Nach Sonneneinstrahlung oder gar Sonnenwinkel, um ein angenehmes Raumklima zu unterstützen, fragt mich niemand. Dabei könnte man mit einfachen Mitteln viel bewirken."
Meine These ist, dass Frieren in Portugal oft selbst verschuldet bis sogar gewollt ist. Und viele frieren einfach nicht, so wie ich. Viele lieben es zumindest kühl. So wie wir nach Sonne lechzen, sehnen sich die vielleicht nach Kühle. Niemand kann mir erzählen, dass in einem Land, das nur regional begrenzt echten Winter kennt und sonst Frühling hat, die Mehrheit der Menschen frieren muss.