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Sonntags im Alentejo

OScAR

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Papi, Du must unbedingt bald einmal nach Alentejo fahren und dort ein paar Fotos von echten Lusitanos knipsen!“ So die klare Anweisung einer meiner Töchter vor ein paar Tagen. Und eine solche klare Anweisung erlaubt keine allzugroße Verzögerung. Sie muß alsbald in die Tat umgesetzt werden. Das hat sie von ihrer Mutter.

Kamera eingepackt, sonniges Wetter bestellt, aufgetankt und die Gewissheit, daß dieser Pferdestall... pardon, Lusitona Zuchtstation... unmittelbar und direkt auf die IC1 gebaut worden ist. Die Anfahrtskizze im Internet läßt da überhaupt keine Zweifel aufkommen.

Schnell die A2 in kommodem Tempo runterdüsen. Ein paar Minuten gefeixt, weil drei Polizeifahrzeuge einen armen Holländer (ohne Wohnwagen) wohl erwischt haben und ihm gerade die portugiesische Hölle heiß machen. Und wenn drei Polizeifahrzeuge gerade beschäftigt sind, dann können ja keine weiteren auf Streife sein. Also die Tachonadel Richtung Nordost bewegt zu einem flüssig-kontinuierlichen Gleiten.

Beide Navigationssysteme sind sich noch einig, wie man schnell und ohne Umwege nach Ourique kommt. Und kaum habe ich es so durch meinen Kopf gehen lassen, bin ich schon mitten im Städtchen. Ach ja, ich vergaß zu erwähnen, daß es Sonntag ist.

Sonntags mittags in Ourique bei strahlendem Sonnenschein sind alle Passanten sehr freundlich. „Wo ist denn bitte dieser Garten der Lüste... pardon, Lusitanos?“ Die älteren Ourique’aner vor dem Cafe an der Ecke schauen auf. Dann schauen sie sich an. Und einer, der mit dem großen Stock in der Hand, schlendert auf uns zu und hat blitzschnell erkannt, daß ich nicht aus Portugal und meine Freundin dafür aus Lissabon ist. Kein Wunder, bei einem deutschen Nummernschild.

Ähhh, jaaa, alsooo...er scheint einen Fortsetzungsroman zu erzählen und wiederholt immer wieder den gleichen Wortschwall und die gleichen Handbewegungen, aus denen wir ablesen sollen, wann und wo wir abbiegen müssen. Dabei schlägt sein Stock gegen meinen Wagen, und ich habe Angst um das Blechkleid. „Unsinn!“ ruft ein anderer und verdrängt den mit dem Stock, legt sich ins geöffnete Beifahrerfenster und gibt uns die richtigen Fahranweisungen. Ich habe ja meiner Freundin gleich morgens empfohlen, etwas Hochgeschlossenes zu tragen. Dieser Herr jedenfalls liegt in meinem Fenster und genießt offensichtlich eine tolle Aussicht.

So ein Automatikwagen hat die unangenehme Eigenschaft, daß er sich manchmal von alleine fortbewegt. Irgendwann kann der freundliche Herr nicht mehr mithalten und verschwindet aus unserem Blickfeld. Wir halten uns den Bauch vor Lachen, schalten beide Navi-Systeme in Ermangelung einer eingebbaren Lokation aus und folgen der Sonne. Erst über schmale Straßen, dann über schmale Schotterwege und zum Schluß über noch schmälere Feldwege. Der Bauer eines abseits gelegenen Hofes wundert sich schon ein wenig über uns. Aber er ist absolut hilfsbereit und bedeutet uns, diesem Weg zu folgen, bis wir ein kleines Schild sehen würden. Dann links ab.

Dieses Schild existiert nicht.

Meine Freundin aus Lissabon ist trotzdem hellauf begeistert von Portugal. Diese Landschaften. Dieser Geruch. Dieses kleine Lämmchen dort, wie süß. Und ich vermisse meinen Jeep.

Wie aus dem Nichts taucht eine asphaltierte Straße vor uns auf. Ich bin sicher, es muß die A22 sein, aber dafür ist sie einfach zu schmal. Und es gibt keine Mautstation. Eine Menschenmenge vor einem Restaurant beobachtet uns argwöhnisch. Ein Volvo, der in Ourique noch dunkelblau-metallic war und jetzt hier im Süden leicht hellbraun umgespritzt wurde. Und dann dieses Nummernschild. Und Radattelchen hängen vom Innenspiegel herunter. Und dann dieses fremde Nummernschild aus Texas im Rückfenster. Na, da sei Vorsicht geboten.

Ein Herr im dunklen Anzug will ja unbedingt helfen, aber er weiß auch nicht wie und wo die Lusitanos grasen. Also fahren wir nach Osten.

Eine alte zahnlose Dame weiß es dann endlich genau. Sie erklärt, wie es Damen nun einmal perfekt können, mindestens dreimal jeweils einen anderen Weg zu einem Dorf, das aber sehr, sehr weit entfernt sei. Wieviele Kilometer? Das wisse sie nicht, schließlich war sie noch niemals dort in ihrem Leben.

Jetzt wird es Zeit für den richtigen Pfadfinder, die Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.

Das Handy verbindet mich mit dem Lusitano-Hengst... pardon, Besitzer, ein waschechter Bayer aus Regensburg, der erklärt, daß da ein kleiner Feldweg ganz in der Nähe eines Montes abzweigen würde. Diesem Feldweg müsse man folgen, denn der führe direkt in den Stall und außerdem wäre es todsicher, denn dieser Feldweg ende genau dort.

Beschwingt umrunde ich jetzt Felsbrocken und Schlaglöcher, in denen man bei Regenwetter wohl ertrinken würde, und rieche quasi schon die Lusitanos. Zum Glück ist meine Freundin nicht schwanger, sonst würden die Waschbrettstrecken unsere diesbezügliche Planung zunichte machen. Eine Schafherde stoppt unseren Vorwärtsdrang. Der typische Schäfer im typischen Schäferlook sieht nachmittags die Sonne aufgehen. Er fragt, was wir hier suchen. Natürlich kennt er den Stall, den wir suchen. Und seine Augen suchen meine Freundin von oben bis unten ab. Er freut sich wie ein kleines Kind, endlich einmal was Handfestes zu sehen...und als er auf der Beifahrerseite handgreiflich werden will, macht sich dieser Automatikwagen wieder einmal selbständig und rollt ihm über den Fuß. Der Schäferhund, also ein kleiner Kläffer, jagt mehrere Kilometer kläffend (daher der Ausdruck Kläffer) hinter uns her, bis er uns in Höhe Lissabon zu wissen glaubt.

Und dann endet der Feldweg. Und wir sind angekommen. Und ich setze meine neue Kamera ein und fotografiere einen fast perfekten Lusitano Hof in einer atemberaubenden Landschaft.

von OScAR
 
Muito Bom Geschichte OScAR,

dann hoffe ich doch stark, das du die Bilder deiner Freundin.......... Ähh pardon :-D ich meine von den Lusitona´s hier bald einstellst.
 
Obrigado OScAR, schön geschrieben. Ich freue mich auch schon auf die Bilder.

Boa tarde

Chap
 
Früher in der Schule kamen dann Bemerkungen wie "sehr bildhafte Sprache"... ;D

Sehr gut geschrieben!
 
Paule schrieb:
Früher in der Schule kamen dann Bemerkungen wie "sehr bildhafte Sprache"... ;D

Sehr gut geschrieben!
Danke, freut mich!

Habe den Text sowohl ins Portugiesische wie ins Englische übersetzen lassen, aber meine Freundin hat nicht sehr viel gelächelt... :'(
 
schöööööön, und ich kann mir jedes schlagloch und jede engagiert-ausschweifende wegerklärung genau vorstellen..
 
Echt Klasse deine Geschichte,musste öfters schmunzeln vorallem mit dem Automatikauto einfach super.
Schöne Bilder.

Gruß Ana
 
1861784.gif
 
@Caramelo: Wenn Du dieser Betatscher-Schäfer bist, dann ist die Chance ziemlich groß. ;D
Gruß von OScAR
 
Musste mal grinsen um diesen Beitrag.

Guten Typ, meine älteste Schwiegertöchter, wird uns ende April besuchen.
Sie hatte und hat einige Pferde, (fängt leider auch an, auszusehen wie ein Pferd ?)

Nee, nee, nicht falsch verstehen. Hochrassig !

Wir, werden gewiß da einen Besuch abstatten.
 
AW: Re: Sonntags im Alentejo

OScAR, Du schreibst einfach toll!!
 
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