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Faszination Mensch - Begegnungen

Stephanie

Apaixonado
Teilnehmer
Stammgast
Vorwort:
Urlaub in Portugal bedeutet für mich, die ich sehr neugierig bin und Menschen liebe, immer auch und vor allem Begegnungen und Gespräche.

Auf der letzten Reise, von der wir vor zwei Wochen heimgekehrt sind, gab es natürlich wieder reichlich zwischenmenschliches und davon möchte ich berichten:

Episode1 - Diplomatie mit pastéis de nata :)

Am 3. August hieß es für uns Abschied von Pico zu nehmen, es geht zurück nach Hause.
Kaum habe ich jedoch im Flieger meinen Platz eingenommen, kommt von hinten eine Stimme: "Erinnern Sie sich noch an mich?" und als ich mich umdrehen sitzt eine Reihe hinter mir auf anderen Seite des Ganges, aber auch auf dem Gangplatz der nette Koch aus dem Rheinland, mit dem ich zwei Jahre vorher bereits auf demselben Flug eine nette kurzweilige Zeit verbracht hatte. Seine Familie und er waren wieder in ihrem Lieblingsferienhaus in São Roque und jetzt gleichfalls auf dem Heimweg.

Ich als gebürtige Rheinländerin, er als sogar noch amtierender, da ging die Unterhaltung natürlich nahtlos weiter.

Nun saß in meiner Reihe auf der Seite meines Gesprächspartners eine dreiköpfige portugiesische Familie, die notgedrungen alles mitbekam und ich dachte mir, dass es für sie schöneres geben könnte als das Dauergelaber zweier Fremder.

Also zückte ich unsere restlichen noch genau drei pastéis de nata, entschuldigte mich auf Portugiesisch für die Störung und erklärte, dass der Herr hinter ihnen und ich uns schonmal getroffen hatten. Dann offerierte ich quasi als kleine Entschädigung die pastéis, die überrascht aber dankend angenommen und sofort verspeist wurden.

Und dann ging es los.

Ruckzuck hatten wir ein Gespräch zu viert, wobei die portugiesischen Eheleute nebst Tochter alles an Handyfotos von Haus und Hof nebst Quad rauskramten und vorzeigten, was sie finden konnten. Sie waren aus São Roque, wo ja die Rheinländer Urlaub gemacht hatten, dann müssten sie einfach an ihrem Haus vorbeigekommen sein, da es direkt am Ozean und neben einem bekannten Lokal liegt.

Dann stellte sich noch heraus, dass die Ferienhausvermieterin eine Verwandte ist, die Portugiesin hatte ihre Telefonnummer in den Kontakten im Handy.

Als übermittelt wurde, dass der Rheinländer Koch ist, kamen dann sogar noch Fotos vom Grill, Pfannengerichten und einem Eintopf sowie den Rindviechern der Familie. Auch das Pferd wurde gezeigt, das ist allerdings leider letztes Jahr gestorben.

Da die Leute aus São Roque kein Englisch konnten, müsste ich so gut ich es eben konnte, vermitteln und übersetzen.

Dann wurden brüderlich erst Kekse geteilt und kurz vor Ankunft original amerikanischer Kaugummi ausgegeben. Der Flug verging wie im Flug.

Ach ja, die Dame aus São Roque ist übrigens Friseurin, falls das mal jemand braucht und sie waren auf dem Weg nach Lissabon, wo sie eine Woche verbringen wollten.

Was mich immer wieder fasziniert ist die natürliche menschliche Neugier und Zutraulichkeit, die ich nicht zum ersten Mal erlebe.

Und genau das mag ich, denn es zeigt, dass wir unsere Welt durchaus mit interessierten, offenen, freundlichen Menschen teilen, wir müssen sie nur finden und ansprechen :).
 
Schön, wieder was von dir zu hören! :) Hatte mich ein bissl gewundert, warum man in den letzten Tagen kaum was von dir gehört hat...

Und genau das mag ich, denn es zeigt, dass wir unsere Welt durchaus mit interessierten, offenen, freundlichen Menschen teilen, wir müssen sie nur finden und ansprechen
Oh, das ist sooooo wahr... :liebe: Ich kann nur sagen, dass es auch nicht immer einfach ist.
 
Da
Vorwort:
Urlaub in Portugal bedeutet für mich, die ich sehr neugierig bin und Menschen liebe, immer auch und vor allem Begegnungen und Gespräche.

Auf der letzten Reise, von der wir vor zwei Wochen heimgekehrt sind, gab es natürlich wieder reichlich zwischenmenschliches und davon möchte ich berichten:

Episode1 - Diplomatie mit pastéis de nata :)

Am 3. August hieß es für uns Abschied von Pico zu nehmen, es geht zurück nach Hause.
Kaum habe ich jedoch im Flieger meinen Platz eingenommen, kommt von hinten eine Stimme: "Erinnern Sie sich noch an mich?" und als ich mich umdrehen sitzt eine Reihe hinter mir auf anderen Seite des Ganges, aber auch auf dem Gangplatz der nette Koch aus dem Rheinland, mit dem ich zwei Jahre vorher bereits auf demselben Flug eine nette kurzweilige Zeit verbracht hatte. Seine Familie und er waren wieder in ihrem Lieblingsferienhaus in São Roque und jetzt gleichfalls auf dem Heimweg.

Ich als gebürtige Rheinländerin, er als sogar noch amtierender, da ging die Unterhaltung natürlich nahtlos weiter.

Nun saß in meiner Reihe auf der Seite meines Gesprächspartners eine dreiköpfige portugiesische Familie, die notgedrungen alles mitbekam und ich dachte mir, dass es für sie schöneres geben könnte als das Dauergelaber zweier Fremder.

Also zückte ich unsere restlichen noch genau drei pastéis de nata, entschuldigte mich auf Portugiesisch für die Störung und erklärte, dass der Herr hinter ihnen und ich uns schonmal getroffen hatten. Dann offerierte ich quasi als kleine Entschädigung die pastéis, die überrascht aber dankend angenommen und sofort verspeist wurden.

Und dann ging es los.

Ruckzuck hatten wir ein Gespräch zu viert, wobei die portugiesischen Eheleute nebst Tochter alles an Handyfotos von Haus und Hof nebst Quad rauskramten und vorzeigten, was sie finden konnten. Sie waren aus São Roque, wo ja die Rheinländer Urlaub gemacht hatten, dann müssten sie einfach an ihrem Haus vorbeigekommen sein, da es direkt am Ozean und neben einem bekannten Lokal liegt.

Dann stellte sich noch heraus, dass die Ferienhausvermieterin eine Verwandte ist, die Portugiesin hatte ihre Telefonnummer in den Kontakten im Handy.

Als übermittelt wurde, dass der Rheinländer Koch ist, kamen dann sogar noch Fotos vom Grill, Pfannengerichten und einem Eintopf sowie den Rindviechern der Familie. Auch das Pferd wurde gezeigt, das ist allerdings leider letztes Jahr gestorben.

Da die Leute aus São Roque kein Englisch konnten, müsste ich so gut ich es eben konnte, vermitteln und übersetzen.

Dann wurden brüderlich erst Kekse geteilt und kurz vor Ankunft original amerikanischer Kaugummi ausgegeben. Der Flug verging wie im Flug.

Ach ja, die Dame aus São Roque ist übrigens Friseurin, falls das mal jemand braucht und sie waren auf dem Weg nach Lissabon, wo sie eine Woche verbringen wollten.

Was mich immer wieder fasziniert ist die natürliche menschliche Neugier und Zutraulichkeit, die ich nicht zum ersten Mal erlebe.

Und genau das mag ich, denn es zeigt, dass wir unsere Welt durchaus mit interessierten, offenen, freundlichen Menschen teilen, wir müssen sie nur finden und ansprechen :).
Danke!
 
...kamen dann sogar noch Fotos vom Grill, Pfannengerichten und einem Eintopf sowie den Rindviechern der Familie. Auch das Pferd wurde gezeigt, das ist allerdings leider letztes Jahr gestorben.
Dieser Zusammenhang :shocked:!
Und genau das mag ich, denn es zeigt, dass wir unsere Welt durchaus mit interessierten, offenen, freundlichen Menschen teilen, wir müssen sie nur finden und ansprechen
Oder sich ansprechen lassen. Aber wer kann schon Pastéis wiederstehen :liebe:.

Danke für diese Geschichte.
 
Schöne Geschichte. Geht aber auch nur mit Rheinländern.
Im Flug nach Hamburg sieht es immer anders aus.
Da sitzen alle mit versteinerter Miene in Erwartung des Regens, der dann in Hamburg von der Seite kommt.
 
Dieser Zusammenhang :shocked:!
:-D Habe mir gedacht, dass Dir das auffällt, falls Du den Post liest. Du musst wissen, der Herr ist Landwirt und hält Rinder für die Fleischproduktion, für ihn war das ganz normal. Und das Pferd habe ich angehängt, um das Themensammelsurium zu illustrieren.
Oder sich ansprechen lassen.
:) Natürlich, oder das.
Das bringt mich dann zu

Episode 2 - wie man Portugiese wird

Zu den Menschen, die mich am meisten beeindruckt haben, gehört Oleg (Name erfunden)
Oleg ist Taxifahrer in Lissabon und wir sind ihm beim Stopover auf dem Weg nach Pico begegnet, als wir am 13.07.2018 nach einem guten Essen im O Pitéu am Lago da Graça ein Taxi zurück zum Hotel am Flughafen nahmen.

Sofort nach dem Einsteigen fragte er uns, ob wir Deutsche wären, falls ja, würde er gerne Deutsch mit uns sprechen. Ok.

Damit war die Einstiegsfrage für mich klar: woher kommen Sie und woher können Sie so gut (kann er tatsächlich) Deutsch?

Oleg ist gebürtiger Ukrainer und hatte dort vor langer, langer Zeit Deutsch in der Schule und wollte gern etwas üben, weil er dazu nicht oft Gelegenheit hat. Außer seiner Landessprache, Portugiesisch, Deutsch, Englisch, Russisch, Schwedisch und Französisch spricht er übrigens neuerdings ein wenig Chinesisch, das lernt er gerade. Wir merken mit jedem Satz, dass wir es mit einem hochintelligenten Mann vielseitigster Interessen zu tun haben.

Zum Zeitpunkt unserer Begegnung ist Oleg 45 Jahre alt, seit 17 Jahren in Portugal und mittlerweile seit 10 Jahren Portugiese und stolz darauf.
Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Auf die Frage, ob seine Frau ebenfalls aus der Ukraine kommt, grinst er und meint dann, er hätte es mit portugiesischen Frauen probiert, aber Portugiesinnen seien kompliziert, seine Frau ist auch aus der Ukraine.

Dann interessiert mich natürlich, wie es ihn nach Portugal verschlagen hat. Das war nun so:
Oleg hatte in der Ukraine begonnen Jura zu studieren, konnte es jedoch nicht fortsetzen, weil er die Studiengebühren nicht aufbringen konnte. Er war zu der Zeit allerdings an einem Projekt beteiligt, wo er für seinen Professor die Einbürgerungsvoraussetzungen der Staaten der EU recherchieren musste und da hat er gelernt, dass man nach 7 Jahren in Portugal einen Antrag auf die portugiesische Staatsbürgerschaft stellen kann.

Darauf hin hat er seine Koffer gepackt und ist ausgewandert. Und exakt nach 7 Jahren hat er den Antrag gestellt und ist seitdem Portugiese.

Ein Mann, der von seinem Potenzial her - z. B. in Deutschland geboren - heute vielleicht Richter wäre,
ist als Taxifahrer in Lissabon ein zufriedener Mensch.

Von diesem Menschen könnten sich viele viele Leute eine Scheibe abschneiden und ich finde, er verdient höchsten Respekt.
 
Auch eine schöne Geschichte.
Ich möchte in diesem Zusammenhang Farin Urlaub (bekannt von den Ärzten) aus dem Song "Glücklich" zitieren:
Es ist egal was du bist, Hauptsache ist, es macht dich glücklich.

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Episode3 - (Haut)-Farbenfrohes Portugal

Ich mag es bunt und ich mag leuchtende optimistische Farben. Und ich mag Einzelstücke.
Als wir an Zwangsstopover Tag 3 zu Fuß in Richtung Flohmarkt unterwegs waren, hing* am Türrahmen eines kleinen Lädchens folgendes Prachtstück:

20190824_135149.jpg


Durch die offenstehende Ladentür konnte man ins Geschäft schauen, wo der Inhaber an einer Nähmaschine saß, also fragte ich, ob ich es anprobieren dürfte.
Es sah zwar reichlich aus, aber ich bin auch reichlich und das kann dann schon mal zu knapp sein.
Er winkte mich herein und als ich das ganze Drumherum sah, wurde mir klar, dass das hier keine Mini-Boutique war, sondern eine kleine Schneiderei.

Und tatsächlich, der Herr nickte, er hatte das Gewand selbst genäht.
Wow, sowas finde ich, die ich bei der Vergabe handwerklicher Fähigkeiten irgendwo vielleicht durch ein Kätzchen abgelenkt war und daher nix mitgekriegt habe, immer absolut bewundernswert und sage das auch.

Während ich im Hinterzimmer anprobierte, holte der Ladeninhaber noch eine ebenfalls vom ihm genähte weiße Bluse mit blauer Blumenstickerei, die ebenfalls in meiner Größensphäre angesiedelt ist. Beide Teile passen, ich bin begeistert und frage dann vorsichtig mal nach dem Preis und kann mein Glück kaum fassen, als ich mit 25€ für das bunte Gewand vom Türrahmen und Foto und 10€ für die Bluse konfrontiert werde. Freudestrahlend kaufe ich beides.

Nun sehe ich mir zum ersten Mal den Herrn vor mir näher an und frage ihn dann, ob ich ihn fragen dürfe, wo er her stammt. Aus Pakistan. Aha, na dann passt es, die Region ist bekannt für ihre Tradition des Schneiderhandwerks und diese tollen, farbenprächtigen Gewänder. Er strahlt.

20190824_134621.jpg


Dann ist die natürliche nächste Frage: "Wie kamen Sie nach Portugal, bzw. weshalb Portugal?"
Die Antwort darauf fand ich sehr interessant, denn er erzählte folgendes: Er habe vorher 11 Jahre in England gelebt und sei jetzt seit zwei Jahren in Portugal.
Umgezogen sei er im wesentlichen aus zwei Gründen, nämlich einerseits wegen der Sonne und andererseits weil er in Portugal mit seiner Hautfarbe nicht auffällt und daher nicht als Fremder angesehen wird. Das sei in England (man stelle sich den bleichen Klischeebriten vor, dann ist einem das sofort einleuchtend) ganz anders.

Ich frage nach, denn das ist für mich spannend und er sagt, dass er hier in Portugal im Gegensatz zu England in Ruhe seiner Wege gehen kann, weil er nicht mit Rassismus konfrontiert wird.
Darüber habe ich, die ich als Exdunkelblonde mit zu Sonnenbrand neigender Haut nie das Problem kannte, noch nie nachgedacht. Fand es jedoch sofort absolut nachvollziehbar. In Portugal fällt jemand mit dunklerer Haut und schwarzen Haaren tatsächlich nicht als fremdartig auf, wenn man sich so umsieht.
Für den Herrn persönlich freut mich, dass er jetzt in einem Land lebt, in dem er sich wohl fühlt :).

* jetzt hängt es bei mir im Kleiderschrank :)
 
Danke für deinen Bericht, den ich fast übersehen hätte, weil ich immer so wenig Zeit habe...
Schön deine Freude mit zu erleben.
 
Ja, das sind sie wirklich, die kleinen Begegnungen und Menschen mit Geschichte, die ich auch immer wieder so toll finde.
 
Episode4 - Bauch-Sprach-Gefühl

Ich grüße nicht gern um die Mittagszeit. Zwar weiß ich, dass man morgens in Portugal "bom dia" sagt und nachmittags "boa tarde", aber es gibt da so eine Grauzone irgendwo zwischen zwölf und eins.

Als wir auf dem Weg vom Flohmarkt am Pantheon zum Bahnhof Santa Apolónia unterwegs sind, steht vor einem kleinen Restaurant eine lächelnde Kellnerin mit einer Speisekarte in der Hand und schaut uns entgegen.

Da ich unerwünschte Offerten gern höflich ablehne, grüße ich zunächst "bom dia", schaue dann auf die Uhr, sehe, dass es halb eins ist und sage: "Oder vielleicht doch "boa tarde", das weiß ich nie".

Darauf grinst mich die Dame fröhlich an und fragt: "Haben Sie schon Mittag gegessen?" Ich verneine. Darauf meint sie: "Dann ist es noch "bom dia"".
Darauf lachen wir alle und jeder geht seiner Wege.

Also:
vormittags = vor dem Mittag "bom dia"
nachmittags = nach dem Mittag "boa tarde"

Hört einfach auf Euer Bauchgefühl :)
 
@Sivi, Vielen Dank, das freut mich. Dass Du wenig Zeit hast, kann ich mir vorstellen, habe Deinen Abschlusspost vom Alentejo gelesen. Respekt, es ist noch viel schwerer persönlich belastendes mit anderen zu teilen, um sie zu stärken, als meine netten Episoden, an denen man sich mit freuen kann, wenn man mag.

@Farbenzeit: Auch Dir lieben Dank. Ich kann nicht so tolle Reiseberichte wie Du, daher habe ich mir etwas gesucht, was mehr meins ist, in der Hoffnung, dass es anderen auch Lust macht, das Land der netten Begegnungen zu erleben.

Wir ergänzen uns hier alle irgendwie, jeder mit seinen Beiträgen :), Forum eben.
 
"Haben Sie schon Mittag gegessen?" Ich verneine.

Das ist genau meine Begründung, wenn ich meine Kunden vor der Mittagspause,
auch nach 12, noch mit "Guten Morgen" begrüße.
Und ich sage dann auch meist: "egal ob Morgen oder Tag, Hauptsache gut!" :-D
@SiviIch kann nicht so tolle Reiseberichte wie Du
Na, das kann man doch so nicht sagen. Wie Du geschrieben hast, hat ja jeder seine speziellen Sichtweisen.
 
Episode5 - Darf es eine Insel mehr sein? Und vielleicht einen Azorianer dazu ?

Als wir am Mittwoch den 17.07. aus Frankfurt kommend in Lissabon "hängenbleiben", bekommen wir am frühen Abend am Schalter der TAP mitgeteilt, dass wir erstens erst am Sonntag nach Pico weiterreisen können UND noch dazu nicht direkt sondern via Terceira fliegen müssen. Start ist um 09:00 in Lissabon, Ankunft auf Terceira um 11:00 und Weiterflug nach Pico um 17:45. Gut sechs Stunden Aufenthalt, quasi den ganzen Tag unterwegs, wir sind alles andere als begeistert.

Pflichtschuldig informiere ich unseren Vermieter über die Änderung und schreibe ihm, dass wir am Sonntag um 18:20 mit dem Flieger aus Terceira ankommen werden.

Seine Anwort:
Olá Stephanie
Diz-me a que horas chegas à Terceira. Se tiveres algumas horas posso te ir buscar e conheceres um pouco da Terceira.
Cumprimentos
José
Hallo Stephanie,
sag mir, um welche Uhrzeit Du auf Terceira ankommst. Wenn Du ein paar Stunden hast, kann ich Dich abholen und Du lernst ein wenig Terceira kennen.
Grüße
José

Wow, wir sind platt!
Ich frage mich - aber wirklich nur kurz - kann man das annehmen, noch dazu an einem Sonntag?
Dann sage ich begeistert zu.

José lebt auf Terceira, wo er als Dozent an der Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Universität der Azoren in Angra arbeitet. Geboren und aufgewachsen ist er auf Pico, wo seine Schwester und viele Verwandte heute noch leben und er sowohl selbst ein Ferienhaus hat als auch ein Doppelhaus, das er vermietet, unser Ferien(domi)zi(e)l.

Wir hatten bereits letztes Jahr bei ihm gemietet, aber bisher nur E-Mail- und Telefonkontakt. Und da habe ich ihn als höflichen, auf das Wohl seiner Gäste bedachten Menschen kennengelernt, der allerdings in seinen Mails Verbformen benutzt, die ich noch nicht hatte, wie z. B. Konjunktive, so dass ich selbst bei kurzen Antworten immer sorgfältig die Grammatik kontrolliert habe, um mich nicht so furchtbar zu blamieren, also lockerer Smalltalk ist was anderes.

Aber zurück zum WOW !
Plötzlich wird aus einem voraussichtlich zähen Reisetag ein echtes Highlight, auf das man sich freuen kann.
Wie @Farbenzeit so schön sagte: Manchmal bekommst Du auch eine Insel extra :), hier sogar mit einem Menschen mehr dazu, was könnte besser sein?
Als wir am Sonntag (pünktlich!) auf Terceira ankommen, können wir, weil ja das Gepäck automatisch nach Pico weitgeht, ohne Verzug zum Ausgang gehen, wo José uns erwartet.
Er sieht grauer aus als auf dem nicht ganz aktuellen Foto auf der Webseite der Uni, dafür aber nicht so seriös.

Nach der Begrüßung werden wir in seinen 20 Jahre alten Allrad-PKW gepackt und auf geht es über die Insel.
Als erstes fahren wir zu einem Miradouro oberhalb von Praia da Vitória, dem Überseehafen von Terceira:

2019082919182800.jpg


Auf der Weiterfahrt sehen wir dann die Hauptstadt der Insel, Angra do Heroísmo mit dem vorgelagerten Monte Brasil, einem sehr schönen Wandergebiet:

2019082919180200_Blick_auf_Angra_Plus_Monte.jpg



Im Laufe des Tages fahren wir den genannten Monte Brasil rauf und haben von dort oben nochmals einen Blick auf die Hauptstadt und die Insel:

2019082919185200.jpg



Einen ortskundigen da langjährig ortsansässigen Reiseführer zu haben ist echt perfekt. Noch dazu einen, der sich mit Natur und Landwirtschaft der Inseln auskennt und einem sogar die durchschnittlichen Regenmengen der Kapverden auswendig mitteilen kann. Ich liebe das, denn das heißt für mich, dass ich ungehemmt und ungebremst alles fragen kann, was mir durchs Hirn zuckt. Und er gibt sich geduldig mit meinem alles andere als perfekten Portugiesisch ab.

Muss er allerdings auch, denn - wie wir lernen - hat er gerade zu der Zeit die weiterführende Schule auf Faial besucht, als die Regierung nach dem Diktaturregime beschlossen hatte, dass es reicht, eine Fremdsprache zu lernen. Da er da bereits Französisch hatte, war nach zwei Jahren Englisch für ihn Schluss.

Neben seiner Lebensgeschichte erfahren wir auch viele interessante Dinge über Terceira, die Azoren, die aktuellen Probleme bei der SATA und dass eine Badestelle nur dann "praia" heißt, wenn es dort Sand gibt. Und wieso es auf ein und derselben Insel an einer Stelle Sand gibt und an anderer nur Steine. (Hängt mit Buchten und Strömungen zusammen, genau krieg ich es nicht mehr zusammen).

Und ich kann im Laufe des Tages feststellen, dass José nicht nur ein wandelnder Reiseführer mit profunden Kenntnissen seiner Umgebung ist, sondern auch Humor hat, denn als ich etwas frage, was er nicht weiß und ihm sage, dass es nicht sein kann, dass er das jetzt nicht weiß, wo er doch Professor ist, grinst er mich an und meint: "Ein Professor weiß nicht alles." Danach war es insgesamt lockerer.

Auf Terceira gibt es eine Käserei mit Bewirtschaftung, wo wir zwischendurch einkehren und zu Brot, Käse und passenden Getränken eingeladen werden. Wirklich lecker!

2019082919173700_käseplatte.jpg


Zum Schluss nimmt er uns mit in sein Haus in Angra. Er kann zur Arbeit zu Fuß gehen, 10 Minuten die Straße entlang, beneidenswert.

Da seine Schwester mit demselben Flieger aus Pico ankommen soll, mit dem wir dann dorthin zurück fliegen, hat José die Ruhe weg, denn der Flieger ist nachmittags um kurz vor vier noch nicht einmal in Pico angekommen, geschweige denn in Richtung Terceira gestartet. Er will jetzt erst in aller Ruhe noch einen trinken

Puh! Ich dränge darauf, zum Flughafen zu fahren, denn das dauert und wir müssen ja nochmal durch die Sicherheitskontrolle UND eine halbe Stunde vor Abflug am Gate sein, auch falls der Flieger nicht fliegt, damit unsere Ansprüche nicht verfallen wegen Nicht-Erscheinen.

OK, er lässt sich überreden und wir brechen auf. Inzwischen ist er soweit aufgetaut, dass er mich damit aufzieht, dass ich alle paar Minuten auf die Uhr sehe und als wir zum Flughafen einbiegen, wo gerade ein Flugzeug startet, meint er mit gespielt ernster Miene: "Das ist der Flieger nach Pico." Ich kann genug Portugiesisch um ihm zu sagen, dass ich ihn eigentlich ganz nett fand bis genau eben gerade.

Wir hatten Dank José einen wirklich schönen Tag. Dass dann der Flug nach Pico gestrichen wurde, weil dort wetterbedingt weder Starts noch Landungen möglich waren, hat sogar noch dazu geführt, dass wir das beste Hotel in Angra kennenlernen konnten und auf Kosten der SATA ein prima Abendessen und eine Nacht direkt am Ozean genossen haben. Hart im Nehmen durch die Vorerfahrungen in Lissabon und gut gelaunt durch den Tag mit José haben wir - wie könnte es anders sein - auch daraus das beste gemacht.

Und, seht Euch die Hotelanlage an, genau dasselbe hättet Ihr getan :)

HotelAngra_2019.jpg
 
Ich sehe schon: Wir sind diesbezüglich vom gleichen Schlag:rolleyes:.:frau::frau:
Ich hoffe, deine Begleitung konnte es ähnlich sehen?!
Mein Liebster ist da etwas weniger entspannt, wenn auch noch im brauchbaren Rahmen. Ich kenne jemanden, der wollte schon bei einer 6 std. Verspätung in Lissabon auf dem Weg nach Madeira die Reise mit Familie abbrechen und zurück fliegen:mad::eek::redface:
Zum Glück hatte er es sich anders überlegt. Wir haben die Gattin auch fernbetreut und auf Ersatzleistungen hingewiesen. Für ein paar Stunden mehrfach ein paar 100€- also- fast umsonst geflogen- wer wird denn da meckern!?
Liebe Grüße
Iris
PS
Sehr schön geschrieben.

 
Ich sehe schon: Wir sind diesbezüglich vom gleichen Schlag:rolleyes:.:frau::frau:
:)
Ich hoffe, deine Begleitung konnte es ähnlich sehen?!
Mein Liebster ist da etwas weniger entspannt, wenn auch noch im brauchbaren Rahmen.​
Sagen wir mal so: Dirk ist gutem Essen und einem ordentlichen Hotel gegenüber durchaus aufgeschlossen. Was man nicht machen darf ist Mahlzeiten ausfallen lassen oder Rauchpausen streichen, das wäre dann kritisch ;).
 
der allerdings in seinen Mails Verbformen benutzt, die ich noch nicht hatte, wie z. B. Konjunktive
Ich hatte es durch und ich finde sie einfach schlimm... Die machen mir das Leben echt schwer! :confused:
Habe das von einer Lehrerin in der Sprachschule Faro erklären lassen. Einiges habe ich zwar verstanden, aber nicht alles zu 100%...
 
@Farbenzeit: Ich kann nicht so tolle Reiseberichte wie Du, daher habe ich mir etwas gesucht, was mehr meins ist, in der Hoffnung, dass es anderen auch Lust macht, das Land der netten Begegnungen zu erleben.
Also, jetzt muss ich das doch nochmal zitieren:
mit dem letzten Bericht hast Du doch alle Zweifel ausgeräumt! Hätte von mir sein können :-D
Sehr schön und typisch azoreanisch.
 
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