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Dörfer in Schiefer

OScAR

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Teilnehmer
Per Aspera Ad Astra” oder Dörfer in Schiefer

Das Asphaltband der A1 spult sich vor uns kontinuierlich ab und wir wollen nach Norden. Die Perlenkette der Hindernisfahrer in der mittleren Spur nimmt kein Ende, aber es ist mir zwischenzeitlich unwichtig, solange ich rechts oder manchmal auch links vorbeiziehen kann.

Als wir die alte Universitätsstadt Coimbra erreichen ist es Zeit für einen Snack. Sie behauptet, sich auszukennen und lotst mich trotz der Einwände des Navi-Systems einmal rechts herum, einmal links herum und jedes an der Straße liegende Restaurant findet keine Gnade vor ihren Augen. Und dann sind wir aus Coimbra herausgefahren. Und ich weigere mich standhaft, zu drehen. Also eilt unser Blick der Straße voraus, um vielleicht doch irgendwo etwas Eßbares aufzutreiben. Road killed kommt nicht in die engere Auswahl. Am Ende bleibt es doch ein Snack und kein Menü.

Das Navi tut sein Bestes. Es navigiert uns ins das portugiesische Hinterland, in die gebirgigen Provinzen Beiras. Mit jedem Kilometer nimmt die Rauheit der Landschaften zu und gleichzeitig auch die Entfremdung vom besiedelten Teil des Landes.

Es muß jedenfalls S. Pedro sein, das sie als unseren ersten Fotostop ausgesucht hat. So steigen wir also aus, umrunden gemeinsam das kleine Gebäude, ohne genau zu wissen, worum es sich hier handelt. Nirgendwo finden wir einen erklärenden Hinweis. Aber die ersten Fotos werden geschossen und kein anderer Besucher stört dabei. Es gibt keine. Ich lasse meinen Blick umherschweifen. Plötzlich verhakt er sich an einer portugiesischen Schönheit. Heimlich schiele ich weiter zu diesem Blickfang, überlege schnell, ob ich es wagen kann, ein Zufallsfoto von ihr zu schiessen. Wie sie dasteht, auf der anderen Strassenseite unter einem von Weinreben umrankten Dach und bewegt sich nicht. Der Teint scheint etwas grünlich zu sein, ahhh, hier und da ein wenig Akne oder Pickel, und bei näherer Betrachtung durch das Teleobjektiv zeigt sich auch das Fahrgestell leider nicht so makellos. Ich entdecke einen Senk- oder Plattfuß vorne links. Von mir aus gesehen.

Da tritt meine Lebensgefährtin dicht an mich heran, schaut mir streng in die Augen und sie sagt, was sie als Frau sagen muß: „Wir brauchen in der Stadt wirklich keinen alten Traktor!“ Technik-Banause!

Sie tut, als habe sie ein Leben lang schon in Monte Alto gelebt. Also muß ich den Berg hinauf und rolle in einen großzügig angelegten Park. Eine grandiose Aussicht in die Täler ist der Dank, daß ich ihrem Rat gefolgt bin. Große, schattige Bäume, Parkbänke zum Ausruhen, einzelne Gärten und diese weiße Kirche. Die übergroße Eingangstreppe ist verziert mit einer ca. 10 m breiten Abbildung aus blauen Fliesen. See mit Schwänen. Während ich dieses bewundere und fotografiere, brummelt mein Magen ein Kommentar über Gänsekeule und Klöse. Wir Beide behalten das vorsorglich für uns.

Der Wagen rollt jetzt nach Osten und nimmt die Berge als nächstes Ziel. Selbst das Navi bekommt Kopfschmerzen vom kurvigen, steilen und rauheren Strassen. Nach einem Klick am Lenkrad zieht es sich devot zurück ins Armaturenbrett. Es wird jetzt nicht mehr benötigt. Jetzt ist meine Gelegenheit gekommen, die immer nackter und steiniger werdenden Berge zu befahren und den direkten Weg nach Piódão zu suchen. Das klappt hervorragend und meine Lebensgefährtin lernt mich als dynamischen und furchtlosen Pionier kennen. Schiefer und Granit bestimmen nunmehr die Umgebung und Krüppeleichen und Kiefern setzen hier und da grüne Akzente. Unwirtlich ist die Gegend geworden, geradezu menschenfeindlich und entvölkert. Die letzten Häuseransammlungen liegen weit zurück und unter uns, doch das staubige Band einer Schotterstrecke weist nach Osten. Nach oben. Zum Ziel.

Zwei Tage nach unserer Expedition, so höre ich, versuchte die Staubwolke, von uns erzeugt, sich doch noch zu setzen. Zwei Tage fiel jeglicher Verkehr wegen abgedunkelter Sonne aus. Aber jetzt gibt es kein zurück. Wer will sich schon in seiner eigenen Staubwolke zurücktasten? Vorwärts.

Das Schütteln endet hoch oben auf einem Bergrücken und gibt den Blick frei auf Piódão tief unten im Tal. Und wir gleiten in das Örtchen hinein und kommen auf dem Marktplatz der Souvenirhändler zu stehen. Häßlicher Schund aus Schiefer wird uns feilgeboten. Selbst die beiden Cafes sind geschrumpft, weil auch dort überall Brot, Honig, Schiefer und Souvenirs für Küche, Wohnzimmer und alle Lebenslagen das Bild beherrscht. Nach einiger Zeit und mehreren Touristen ist der Marktplatz völlig chaotisch zugeparkt. Wir beschliessen erst einmal eine Stadtrundfahrt.

Neben dem Marktplatz gibt es noch eine abgrundhäßliche in weiß/blau getünchte Kirche, die mich an die einschlägigen sakralen Bauten unserer ausländischen Mitbürger erinnert, und der nur noch das Minarett fehlt. Ansonsten sind alle Häuser aus Schiefer und sie sind interessant anzuschauen. Die kleinen Gässchen lassen uns zwischen diesen Häusern herumsteigen und laden zum Fotografieren ein. Hin und wieder steht ein kleines Fenster offen und wir können einen Blick hinein riskieren. Ziemlich beengt aber ordentlich und sauber. Nur ganz wenige Mauern sind kurz vor dem Einsturz. Und an vielen Ecken wird fleißig restauriert. Jedes Haus hat einen Nabelschnur zur Infrastruktur, was aber nicht gleichzusetzen ist mit Komfort hinter diesen nassen Schieferwänden.

Mein Auge freut sich über die wenigen neuen Gebäude, die um den Ort herum in den Berghang gestellt und weil diese wenigstens äußerlich den Schieferhäusern angepaßt sind. Selbst kleine Steinhütten fügen sich geduckt in das Bild ein. Dieses aber verschwindet ziemlich rasch, weil Sonne und Licht recht schnell abgestellt werden. Ebenso schnell fallen wir in ein abseits auf einem Plateau stehendes Hotel ein und hoffen, ein warmes Plätzchen dort zu finden.

Wenn man bei diesen Touristenströmen die einzige Herberge weit und breit ist, kann man gut wählerisch und teuer sein. Ein ausländisches Nummernschild hilft zwar beträchtlich, doch ist erst einmal das Wasser für Stunden ausgefallen. Etwas verstimmt und verstaubt gönnen wir unseren knurrenden Mägen ein Buffett, über das hier nicht viel gesagt werden soll. Danach schlafen wir bei offenem Fenster in einer totalen Finsternis und mit kalt-frischer Luft wie die Murmeltiere. Das Buffett zum Frühstück sei hier nicht erwähnt.

Zurück zwischen den Schieferwänden und ohne Touristenströme zu dieser frühen Zeit können wir noch mehr Fotos unter anderen Lichtverhältnissen schiessen, bis die Speicherkarten ächzen. Dann folgend wir der Straße auf die andere Bergseite nach Chas d’Egua. Ein kleines Dörfchen mit wenig Charme. Foz d’Egua dagegen ist eine Ansammlung von Schieferwänden und Dächern mit zwei wirklichen Attraktion. Eine Seilhängebrücke für Fußgänger über eine kraterähnliche Vertiefung, in der zwei Bächlein zusammenfliessen und jemand ein Stück echten Strand aufgeschüttet hat. Alles Privatbesitz.

Um dieser abgeschiedenen und sterbenden Gegend in der Serra de Estrela, Portugals höchstem Gebirge, mit Mund-zu-Mund-Beatmung etwas auf die Beine zu helfen, wurde hier die zehn schönsten Dörfer unter Denkmalschutz gestellt. Man reanimiert die Häuser und die wenigen Einheimischen und vertraut auf den Tourismus. Und hat eine Freilichtmuseum geschaffen.

Das Navi darf jetzt wieder den Ton angeben und soll uns zur nächsten Autobahn führen. Gesagt, getan. Es weiß nicht, daß wir jetzt einsame Berghänge sehen werden. Diese sind wellig begrünt und in unterschiedlichem Licht einfach fotogen. Dazwischen geben die Berge uns den Blick frei auf kleine Dörfchen, dicht an die Hänge geschmiegt und umgeben von wohl mühsam aufgeschütteten Terassenfeldern. Aber auch die Vegetation stellt sich wieder ein, je tiefer wir hinabgleiten. Schattige Nadelwälder wechseln sich mit Büschen ab und bedecken die Schieferflächen, auf denen sich keine Flora halten konnte.

Und weil wir der Zivilisation näher kommen, entdecken wir die ersten Wegweiser zur erhofften Autobahn. Und da ist es nur noch eine Frage von wenigen Stunden, bis wir vom Lärm und Chaos von Lissabon eingefangen und umschlossen werden.

OScAR
 
Schöner Bericht, Oscar.

OScAR schrieb:
Das Schütteln endet hoch oben auf einem Bergrücken und gibt den Blick frei auf Piódão tief unten im Tal.

Ungefähr so ... ;)

Piototal01800.jpg

Piototal02800.jpg


Gruß, Zip
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Wunderschön, einer meiner favourite places! Und ein geiles Auto..................ich bin begeistert, gleicher Geschmack!
 
Also, ich würde in so einem Schieferdorf absolute Beklemmungen bekommen. Unvorstellbar, daß ich da wohnen könnte.

LG
K
 
OScAR schrieb:
Foz d’Egua dagegen ist eine Ansammlung von Schieferwänden und Dächern ...

Xisto wohin das Auge reicht ...
aldeiafozegua-framed01.jpg


OScAR schrieb:
... mit zwei wirklichen Attraktion. Eine Seilhängebrücke für Fußgänger über eine kraterähnliche Vertiefung, in der zwei Bächlein zusammenfliessen ...

Yeah, man! Serious "Bridge Over Troubled Water"-troubles ... ;D
aldeiafozegua-framed02.jpg


Zip
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Yea Tip

this pic´s is proudly present by Photoshop..........

but....... by the way, who is the fucking water, under the Bridge *g*

nice shoot obove.......
 
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